Außerschulische Bildung 1/2025

Eine bizarre Laufbahn in der außerschulischen politischen Bildung

Auf den Spuren von Fritz Wüllenweber

Dass ein Feld, in dem für Demokratie, Freiheit, Recht und Partizipation geworben wird, ein Wirkungskreis für ehemalige Nazis gewesen sein könnte, scheint zunächst eher unwahrscheinlich. Dass dem leider nicht so ist, hat der Autor dieses Beitrags schon in seiner kurzen Geschichte des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten (AdB) aufgezeigt (vgl. Ciupke 2009). Seitdem gibt es nur wenig Untersuchungs- und Erkenntnisfortschritte. Es dürfte aber naheliegend sein, dass auf Seiten der Institutionen, des Personals und der Teilnehmerschaft es mannigfache Verflechtungen gegeben hat, so z. B. in der evangelischen Erwachsenenbildung und den Akademien, die ja z. T. schon vor 1945 wirkten. Hier soll aber auf einen besonders bizarren Fall in der Geschichte des AdB geschaut werden. von Paul Ciupke

Der AdB, ein politisch sehr pluraler Verband, wurde 1959 als Arbeitskreis Jugendbildungsstätten gegründet. Die Jugendhöfe: Reeducation-Einrichtungen, die besonders von den Engländern gefördert wurden (vgl. Stambolis 2023), machten den Entwicklungskern aus, bald aber kamen Europäische Akademien, Heimvolkshochschulen, Stiftungen und andere Bildungsstätten hinzu. Die gemeinsamen Merkmale bildeten ein eigenes Tagungshaus und eine deutliche Berücksichtigung politischer Bildung. Bei der Gründung des AdB war Werner Rietz besonders aktiv, er agierte damals als Leiter des Jugendhofs Vlotho in Ostwestfalen, steuerte aber mehrere weitere Einrichtungen in Vlotho und Umgebung, unter anderem die Stätte der Begegnung und das Gesamteuropäische Studienwerk. Der Historiker Karsten Wilke, Fachmann für die Veteranen der Waffen-SS, spricht hier von einem Nachkriegsnetzwerk der SS (Wilke 2018, S. 91). Es gab in der Tat Verflechtungen und prominente Fälle, dazu gehörten u. a. Alexander Dolezalek und Werner Georg Haverbeck (vgl. Ciupke 2009, S. 80 ff.).

Rietz war im Mai 1933 als junger Mann in die NSDAP eingetreten und hatte verschiedene Funktionen im NS-Staat inne. Er war u. a. Beauftragter des Reichsbauernführers Richard Walther Darré für „Nachwuchsgewinnung und Berufserziehung“, außerdem Mitglied der Waffen-SS und der SS-Leibstandarte Adolf-Hitler (siehe auch Ciupke 2003 und Günther 2002). Er spielte auch eine Rolle in dem folgenden, besonders bizarren Fall. Dieser Beitrag ist die erheblich gekürzte Fassung einer längeren Abhandlung, die auf Recherchen, Quellenfunden und Dokumenten aus Archiven beruht. Aus Platzgründen müssen diese Nachweise hier wegfallen. Ebenso können Nebenpersonen nicht weiter vorgestellt werden.

Der Fall Fritz Wüllenweber