„Nach den rassistischen Morden in Hanau am 19. Februar 2020 haben wir uns auf Mahnwachen, Kundgebungen und Beerdigungen ein Versprechen gegeben: Dass die Namen der Opfer nicht vergessen werden. Dass wir uns nicht allein lassen. Dass es nicht bei folgenloser Betroffenheit bleibt.“ So beginnt der Gründungstext der Initiative 19. Februar Hanau. Seither sind fünf Jahre vergangen. Fünf Jahre ohne Ferhat Unvar, Said Nesar Hashemi, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin.
Seit fünf Jahren sagen wir ihre Namen. Seit fünf Jahren erinnern wir. Seit fünf Jahren kämpfen wir unermüdlich und erfahren dabei große bundesweite Solidarität. Unsere vier Forderungen sind Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung und Konsequenzen.
In den behördlichen Ermittlungen, der juristischen Aufklärung und der politischen Verantwortung vor, während und nach dem Anschlag ist vieles nicht aufgearbeitet worden. Der Notruf hat nicht funktioniert, der Notausgang in der Arena-Bar war verschlossen. Es gab in den Ermittlungen eine Täter-Opfer-Umkehr. Im parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Hessischen Landtag wurde vieles, was wir von Anfang an gesagt haben, bestätigt. Nicht zuletzt durch die Untersuchungen von Forensic Architecture, die in der Ausstellung „Three Doors“ zu sehen sind. Doch all das blieb bislang konsequenzlos. Ohne Konsequenzen gibt es aber keine Gerechtigkeit.
Trotzdem sind wir überzeugt, dass es die Möglichkeit der Veränderung gibt. Wir vertrauen auf die Stärke der Solidarität. Wir erfahren Solidarität, wenn uns Jugendgruppen besuchen. Wenn Menschen das Theaterstück AND NOW HANAU anschauen. Wenn sie die Ausstellung „Three Doors“ besuchen und mit uns ins Gespräch kommen. Wenn Fußballvereine die Erinnerung an unsere Kinder, Geschwister, Freund*innen ins Stadion tragen. Wenn Menschen uns bei Lesungen und Kundgebungen zuhören. Wenn sie über Erinnerung schreiben und erzählen. Wenn Lehrer*innen Hanau zum Thema im Unterricht machen. Wenn Menschen an so vielen Orten am 19. Februar gedenken. Vor allem erfahren wir das im Solidaritätsnetzwerk Betroffener rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Dort treffen wir Menschen, denen es geht wie uns und die ebenfalls nicht aufgeben. Ohne die Solidarität anderer Betroffener von Anfang an, hätten wir nicht das schaffen können, was wir getan haben. Dieses Land erinnert seit Hanau anders. Unter #saytheirnames sind die Namen überall zu lesen, es gibt Gedenkorte, Graffiti und Sticker. Der Hashtag kommt ursprünglich aus der US-amerikanischen Bewegung Schwarzer Frauen. Wir erinnern an die Opfer, nicht an den Täter. Was bedeutet das Erinnern konkret vor Ort? Hanau ist auch eine Chiffre für rechten Terror und Gewalt, aber eben auch der Ort der Erinnerung und des Lebens.
Erinnern heißt verändern. Wir machen das alles nicht für uns, sondern für die ganze Gesellschaft. Damit andere Eltern, Geschwister, Freund*innen nicht denselben Schmerz erfahren müssen und damit wir alle in einer solidarischen Gesellschaft leben können. Damit der überall grassierende Rassismus weniger wird. Für das Leben, gegen die Angst.