Eine Analyse der Ergebnisse der Wahlen zum Europäischen Parlament
Institutioneller Rahmen und Wahlbeteiligung
Vom 6. bis zum 9. Juni 2024 hatten die Bürger*innen der Europäischen Union zum zehnten Mal Gelegenheit, das Europäische Parlament, also ihre Volksvertretung auf europäischer Ebene, direkt zu wählen. Gut die Hälfte (50,7 %) der insgesamt 370 Millionen Wahlberechtigten machten von ihrem Wahlrecht Gebrauch, was der Wahlbeteiligung bei der vorangegangenen Wahl 2019 exakt entspricht. 2014 hatte der Wert dagegen nur bei 42,6 % gelegen. Der Anstieg der Wahlbeteiligung hat einerseits mit der wachsenden Polarisierung der Parteiensysteme zu tun, die auf allen politischen Ebenen mobilisierend wirkt. Zum anderen deutet sie auf eine stärkere Europäisierung der Wahlen hin, die – auch wenn sie weiterhin primär unter nationalen Vorzeichen stattfinden – mehr als zuvor von gemeinsamen europäischen Themen bestimmt werden. Wie bei den früheren Wahlen waren die Unterschiede in der Wahlbeteiligung zwischen den Mitgliedstaaten auch dieses Mal gewaltig. Das Schlusslicht bildet hier mit nur 21,3 % das jüngste EU-Mitglied Kroatien, während Belgien, wo eine Wahlpflicht besteht, mit 89,8 % erneut an der Spitze rangiert. Deutschland befindet sich mit seinen 64,8 % ebenfalls im oberen Bereich, was nur knapp hinter dem Rekordwert von 65,7 % bei der ersten Direktwahl 1979 liegt und gegenüber 2019 eine Steigerung um 3,4 Prozentpunkte bedeutet. Positiv ausgewirkt haben dürfte sich dabei auch, dass wie schon bei den vorangegangenen Europawahlen in – dieses Mal – acht Bundesländern zeitgleich Kommunalwahlen stattfanden.
Die unterschiedlichen Wahlbeteiligungen verweisen darauf, dass die Europawahlen auch in institutioneller Hinsicht noch längst nicht so vereinheitlicht sind, wie wir es von den Wahlen auf der nationalen Ebene gewohnt sind. Die Versuche des Europäischen Parlaments, die Wahlrechtsregeln und hier vor allem das Wahlsystem weiter zu harmonisieren – etwa durch die Einführung einer EU-weiten Zwei-Prozent-Sperrklausel – sind in der letzten Legislaturperiode an Widerständen in den Mitgliedstaaten einmal mehr abgeprallt. Der vom Bundesverfassungsgericht gleich zweimal (2011 und 2014) verfügte Wegfall der Zugangshürde bei den nationalen Europawahlen – im Unterschied zu den Bundestags- und Landtagswahlen – hatte deshalb in Deutschland auch 2024 Bestand. Den Anreiz zur Wahl ansonsten chancenloser Parteien verstärkend, führte er dazu, dass neben den Parteien oberhalb der Fünfprozentmarke (Union, SPD, Grüne, FDP, AfD und BSW) gleich sechs weitere Kleinparteien Mandate erringen konnten.