Außerschulische Bildung 4/2024

Kritische europapolitische Bildung

Wie verstehen und gestalten wir Europa?

Der Beitrag stellt Konflikte und zentrale Streitfragen zur Europapolitik als Ausgangspunkt für einen machtanalytischen Ansatz politischer Bildung in den Fokus. Dabei wird zunächst die Bedeutung politischer Bildung zur Kritik und Weiterentwicklung der europäischen Integration diskutiert und die Frage nach den Möglichkeiten einer transnationalen Demokratiebildung aufgegriffen. Dazu werden methodische Zugänge mithilfe einer machtanalytisch erweiterten Problemstudie vorgeschlagen. von Andreas Eis

Die Europawahl 2024 lässt sich nicht allein auf den vielfach betonten Rechtsruck beschränken. Das rechtspopulistische und nationalistische Lager wurde im Europäischen Parlament deutlich gestärkt, auch wenn dieser Trend nicht für alle Mitgliedsstaaten gilt. In einigen Ländern (wie Polen, Ungarn, Schweden, Finnland) ging die Unterstützung für extrem rechte Parteien zurück (vgl. Vogel 2024). Während 2019 auf dem Höhepunkt der Fridays-for-Future-Bewegung Klimapolitik im Mittelpunkt der „grünen Europawahl“ stand, überlagerten 2024 Kriege in der Ukraine und in Gaza/Israel sowie erneute Debatten über Fluchtmigration die Wahlen. Geblieben ist jedoch der Trend einer seit Jahren gestiegenen Wahlbeteiligung und Politisierung Europas, nicht nur im Sinne einer bedrohlichen Zuspitzung von unversöhnlichen Positionen. Vielmehr gewinnen die Bedeutung und das Interesse an der Europapolitik eine immer größere Öffentlichkeit, für die viele (auch junge) Menschen leidenschaftlich streiten und sich engagieren.

Rolle und Bedeutung der europapolitischen Bildung

Europa ist für viele – vor allem für privilegierte – Menschen zu einem transgesellschaftlichen Lebens-, Lern- und Arbeitsort geworden, der nicht auf die Länder der EU begrenzt ist. Ob ein Studium oder eine Ausbildung mit Erasmus, internationale Jugendbegegnungen, Austausch von Lehrenden, aber auch Arbeitsmigration unter höchst prekären Bedingungen (z. B. im Baugewerbe, in Pflegeberufen oder in der Landwirtschaft): Trotz struktureller Krisen und vieler Rückschritte hat sich die zwischen- und überstaatliche Zusammenarbeit seit Gründung der Europäischen Gemeinschaften stetig vertieft und in vielen Runden erweitert. Die Übertragung von immer neuen Politikfeldern und Kompetenzen an die EU (z. B. in der Umwelt- und Klimapolitik, aber auch in der Migrationspolitik oder bei Fragen der Antidiskriminierung) hat zugleich in vielen Mitgliedsstaaten zu kontroversen Debatten über defizitäre demokratische Selbst- und Mitentscheidungswege sowie – im Falle von Großbritannien – auch zum ersten Austritt aus der Gemeinschaft geführt.