Außerschulische Bildung 1/2025

„Neutrality – an ever demanding Task for Education?“

DARE-Workshop im Europäischen Parlament

Ist politische Bildung polarisierend und parteilich? Indoktrinieren Bilder*innen Lernende? Sollten Bildner*innen, Jugend- oder Sozialarbeiter*innen eine neutrale Position in Bezug auf den demokratischen politischen Prozess oder auf demokratisch gewählte Entscheidungsträger*innen wahren? Welche Konflikte entstehen dabei für Bildner*innen? Und überhaupt: Ist die Forderung nach Neutralität begründbar? Sind solche Forderungen vielleicht eine Agenda gegen demokratisches Engagement und gegen Bildungsarbeit für Demokratie? Diese Fragen leuchtete das DARE Network am 19. November 2024 mit einer Diskussionsveranstaltung im Europäischen Parlament im Rahmen der Lifelong Learning Week 2024 aus. Auf Einladung von MEP Ana Catarina Mendes (S&D Group), Ko-Vorsitzende des LIBE-Ausschusses, ging es darum, politische Strategien demokratisch gewählter Nicht-Demokraten und ihrer pressure groups in Bezug auf die verschiedenen Felder Lebenslangen Lernens exemplarisch herauszuarbeiten.

Die Referent*innen beschrieben zwei Trends: Erstens: Konkrete Angriffe auf die Arbeit von Einrichtungen/Trägern in den Feldern der formalen und non-formalen Bildungs- und Jugendarbeit (und in verwandten Feldern). Zweitens erscheint Verstummen im Sinne von Verunsicherung, faktischer Einengung, diskursiver Angriffe und daraus resultierender Ängste eine Strategie zu sein, die zu Selbst-Beschränkung der Arbeitsfelder und ihrer Akteur*innen führt.

An verschiedenen Beispielen wurde dargestellt, wie die Legitimität liberaler zivilgesellschaftlicher Akteur*innen in Frage gestellt wird. Für den deutschen Kontext wurden die aktuellen Diskussionen um Gemeinnützigkeit und „politisches“ Engagement vorgestellt. Am Beispiel der Diskussion um den Beutelsbacher Konsens wurde betont, dass nach Mehrheitsmeinung in Politik und Rechtsprechung politische Bildung gegenüber ihrem eigentlichen Subjekt – Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten – sich keinesfalls neutral zu verhalten habe, sondern vielmehr dafür einstehe. Genau dieses Einstehen für bedeutet im engeren Sinne Transparenz über die zugrundeliegenden Prinzipien in Bildung/Jugendarbeit herzustellen (Kontroversität, Minderheitenrechte, keine Überwältigung/Indoktrinierung, Faktenbasiertheit, faire und um objektive Einordnung bemühte Diskussion von gesellschaftspolitischen Fragen). Neutralität sei nicht der geeignete Begriff, um das Ermöglichen der freien und kritischen Urteilsbildung der Lernenden abzusichern.

Bildung und Jugendarbeit – so ließ sich in der Diskussion herausarbeiten – sind eng verbunden mit Zivilgesellschaft und angewiesen auf starke Freiheits- und Grundrechtepolitik („shrinking spaces“). Die europäische Ebene (wie die EU-Kommission in ihrem Rechtsstaatlichkeitsbericht) sollte auf die Verknüpfung von Grundrechten und Konsequenzen für Bildungs- und Jugendarbeit ein verstärktes Augenmerk legen. Oftmals sind die zivilgesellschaftlichen Organisationen oder auch Akteure im formalen Bildungssektor nicht in der Lage, frühzeitig auf externe Veränderungen zu reagieren, da es oft sowohl an den speziell notwendigen Fähigkeiten wie auch Expertisen fehlt, wenn sie die Rolle als Grundrechteakteur*innen aktiv annehmen wollen.