Außerschulische Bildung 1/2025

Ingolfur Blühdorn: Unhaltbarkeit

Auf dem Weg in eine andere Moderne

Ingolfur Blühdorns aktuelles Buch trägt den Titel „Unhaltbarkeit. Auf dem Weg in eine andere Moderne“. Unhaltbar ist für Blühdorn das „Ökologisch Emazipatorische Projekt“ (ÖEP), das er vor allem demokratietheoretisch hinterfragt. Er kommt mit seiner Analyse zum Ergebnis, dass unsere Gesellschaft auf dem Weg in eine neue, andere, dritte Moderne ist, in der wir die postmaterialistischen und emanzipatorischen Werte der Zweiten/Reflexiven Moderne (Ulrich Beck) bewusst oder unbewusst und keineswegs intendiert aus den Augen verloren haben. Die „Basisprinzipien“ des ÖEP sind nach Blühdorn so „erschöpft“, dass sie nicht mehr haltbar sind: „Was da ins Wanken gerät, ist der Glaube an die Utopie, an die Vision, die die ökoemanzipatorischen Aufbruchsbewegungen seit den siebziger Jahren geleitet hat.“ (S. 27)

Methodisch schließt Blühdorn an seine Arbeiten über „Simulative Demokratie“ (2013) und über „Nicht-Nachhaltigkeit“ (2020) an. Er will nicht „normative Forderungen artikulieren“, sondern versuchen „empirisch beobachtbare Phänomene bzw. Veränderungen begrifflich zu fassen, zu interpretieren und zu erklären.“ (S. 34) Mit dem zentralen Begriff der „Unhaltbarkeit“ will er jedoch über das gesellschaftspolitische Ziel der Nachhaltigkeit hinausgehen, weil es „kaum noch als Leitbild für eine gesellschaftliche Mobilisierung und Transformation taugt.“ „Der Begriff Unhaltbarkeit erscheint definitiver“ und mache besser deutlich, dass es in seiner Analyse der „anderen Moderne“ nicht nur oder nicht vorrangig um ökologische Themen geht, sondern auch um die Krise und die Unhaltbarkeit von Demokratie und Emanzipation. Demokratie stelle sich in dieser Krise vor allem als „autokratisch-autoritäre Wende“ dar (S. 125 ff.) und ein ganzer Teil seines Buchs ist sehr plakativ mit „Die emanzipatorische Katastrophe“ überschrieben.

Blühdorn legt sich selbst die Latte hoch, wenn er den gleichen Untertitel „Auf dem Weg in eine andere Moderne“ wählt, wie einst Ulrich Beck in seinem damals viel diskutierten Buch „Risikogesellschaft“ (1986). Diesen Rückgriff begründet er nicht nur ausführlich, sondern er liefert auch eine sehr umfangreiche lesenswerte Zusammenfassung des gesamten Werks von Ulrich Beck. Beck habe die „Entzauberung einer Legende“ bereits gespürt und schwankte deshalb häufig zwischen dem was ist und dem was sein soll (S. 201 f.). Am Ende sei er aber stets seiner „Pessimusmüdigkeit“ gefolgt und habe sich auf die Seite der optimistischen Erneuerung geschlagen (S. 227 f.). Hier scheint der Unterschied zwischen einem analytischen und einem aktivistischen Blick kurz auf, der meines Erachtens für die weitere Debatte über das Buch von großer Bedeutung ist.

Blühdorn mag sich nicht einem optimistischen (Durchhalte-)Willen anschließen und sieht im Gegenteil keinerlei Anlass für „Hoffnungsnarrative“: Eher könne man von einer „spätmodernen Optimismusmüdigkeit sprechen, vor deren Hintergrund die allgemeine Schönfärberei noch einmal nachzuschönen nur wenig sinnvoll erscheint.“ (S. 222, Hervor. i. Orig.). Er weiß, dass seine pessimistische Analyse bei Menschen, die in den 1970er-/1980er-Jahren politisch geprägt wurden und die, motiviert durch die ökologisch-emanzipatorischen „Basisprinzipen“, politisch aktiv waren, eine „traumatische“ Erkenntnis und Erfahrung sein kann. Diese Triggerwarnung blitzt schon in der Einleitung auf.