Demokratie gegen Menschenfeindlichkeit
Wer geübt im Antragsprosa ist, der*dem wird bekannt sein, dass sogenannte Buzzwords, also Schlagwörter die in der Ausschreibung verwendet wurden, auch reproduziert werden müssen. Denn so könnte in einem Antrag zu Jugendbeteiligung der Satz „Partizipation ist uns dabei wichtig“ schon ausreichend sein, um ein Häkchen auf der Bewilligungs-Checkliste zu erhalten. Eine Begründung oder ein wissenschaftlicher Bezug wären Nebensache. Diese skizzierte Absurdität könnte egal sein, wenn der Antrag bewilligt wird – so könnte pragmatisch angenommen werden. Kann es aber nicht, da die Umdeutungen auch Einfluss auf die Debatten in Profession und Wissenschaft haben: „Ein inflationärer Gebrauch von Buzzwords führt mitunter dazu, dass sie zu hohlen Phrasen verkommen, dass die in ihnen verdichteten Konzepte oder Programme keiner Reflexion mehr zu bedürfen scheinen. (…) Doch in krisenhaften, polarisierten Zeiten (…), ist die Reflexion über die zugrundeliegenden Schlüsselbegriffe mehr denn je eine ernsthafte Voraussetzung dafür, fachliche Schlüsse zu ziehen.“ (S. 7) Daher wurde in Ausgabe 02/2023 der Zeitschrift „Demokratie gegen Menschenfeindlichkeit“ der Schwerpunkt „Buzzwords“ gesetzt. Es geht u. a. um Begriffe wie Extremismus, Mitte, Zivilgesellschaft, Prävention, Diversität, Solidarität.
Die Buzzwords werden von den Autor*innen aus Praxis und/oder Wissenschaft reflektiert und Ursprung, Implikationen, Verwendungen und Effekte erläutert. Der Anteil an wissenschaftlicher Perspektive ist etwas höher als aus der Praxis. Die Artikel sind von der Seitenanzahl her knapp bemessen, vom Grad der Inhaltsdichte allerdings nicht. Daher wird im Folgenden auf die Auseinandersetzungen mit nur zwei Buzzwords eingegangen.
Die Artikelstruktur mit Ursprung, Implikationen, Verwendungen und Effekte zeigt sich bspw. in den zwei Artikeln zu „Bildung“ (S. 17 ff.) von Susanne Maurer und Carsten Bünger, beide in Vertretung der Wissenschaft, deutlich.
Den Ursprung des heutigen Bildungsbegriffs erkennen beide in der Zeit der Aufklärung an. Hieraus ergibt sich Bildung im Ursprung ohne Zielvorgabe als Selbstentfaltung des Menschen. Das „Diktat des Fortschritts“ produziert im Nachgang kritische Gegenentwürfe zum sich veränderten Bildungsideal. Beide Autor*innen weisen darauf hin, dass die fortführende abstrakte Verwendung, wie durch die Postulierung von Bildung als ein universelles Menschenrecht (das in der Realität nicht für alle gilt), angeführt wird oder Bildung als Antwort auf jedes aus den gesellschaftlichen Verhältnissen entstehendes Problem auf das Individuum und seine eigenverantwortliche Anpassungskompetenzen übertragen wird (nächstes Buzzword: Resilienz), die tatsächlichen sozialen Ungleichheiten individualisiert und reproduziert werden. Als Schlussfolgerung verweist Maurer auf die Bildungsmöglichkeiten, die sich durch Selbstentfaltung/-verwirklichung ergeben, wenn diese gegen eine Instrumentalisierung verteidigt werden. Bünger plädiert dafür, Bildung neu zu denken.