Der NSU und das Versagen der Gesellschaft
Am 11. Juli 2018 verkündete der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München nach über fünf Jahren und mehr als 430 Verhandlungstagen das Urteil gegen fünf Personen, die angeklagt worden waren, an den Verbrechen der extrem rechten terroristischen Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) beteiligt gewesen zu sein, vor allem an neun Morden an Menschen mit internationaler Familiengeschichte, an der Tötung einer Polizistin sowie an Sprengstoffanschlägen, fünfzehn Raubüberfällen und insgesamt 43 Mordversuchen. Beate Zschäpe erhielt eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mittäterschaft an den Morden, schwerer Brandstiftung und der Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung, deren beiden andere Mitglieder – Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt – nach einem Banküberfall angesichts einer drohenden Festnahme durch die Polizei Suizid begingen. Die anderen Angeklagten wurden wegen verschiedener Beihilfehandlungen, darunter die Beschaffung einer Waffe, die Überlassung von Personalpapieren sowie die Anmietung von Fahrzeugen, zu Freiheitsstrafen zwischen zehn und zweieinhalb Jahren verurteilt. Insgesamt befassten sich Parlamentarische Untersuchungsausschüsse im Bundestag sowie in acht Landesparlamenten mit der Aufklärung des NSU-Komplexes, also der Frage, wie über einen Zeitraum von fast dreizehn Jahren eine rechtsterroristische Struktur agieren konnte, ohne dass Staat und Gesellschaft in großer Mehrheit in der Lage waren, den rassistischen Charakter der Gewalttaten zu erkennen, aufzuklären und solidarisch für die von der Gewalt Getroffenen einzustehen.
Ein Trio und viele Einzeltäter
Das Gericht folgte in seiner Urteilsbegründung der These, die die Bundesanwaltschaft (BAW) schon früh vorgelegt hatte: Die rechtsterroristische Gruppe habe drei Mitglieder gehabt, alle anderen seien als Unterstützende zu bezeichnen. Diese Sichtweise wurde in der Beweisaufnahme durch Vertreter*innen der Nebenklage wiederholt kritisiert, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Dauer von Unterstützungsleistungen durch weitere Neonazis sowie der Auswahl der Tatorte, die in mehreren Fällen gute örtliche Kenntnisse nahelegten, sodass begründet vermutet wurde, dass diese nicht von den aus Sachsen angereisten NSU-Mitgliedern ausgekundschaftet worden waren. Auch der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses in Nordrhein-Westfalen zweifelt mehrfach die Plausibilität der Konstruktion der 3er-Gruppe an, nicht zuletzt mit Blick auf den Anschlag in der Kölner Probsteigasse, bei dem die Phantomzeichnung auf keins der beiden männlichen NSU-Mitglieder passt (vgl. Landtag Nordrhein-Westfalen 2017, S. 314 sowie 787 f.)