Außerschulische Bildung 2/2020

Die Bedeutung des Quality Label for Youth Centres für das wannseeFORUM

Interview mit Dr. Roman Fröhlich und Tina Leskien, Stiftung wannseeFORUM

Am 31. August 2019 wurde der Stiftung wannseeFORUM als erste deutschsprachige außerschulische Jugendbildungsstätte das Qualitätssiegel für Jugendzentren des Europarats für die Jahre 2019–2021 offiziell verliehen. Die Jugendbildungsstätten, die europaweit dieses Label tragen, vereint die Einhaltung von 15 Kriterien, die vom Anbieten einer toleranten und sicheren Arbeitsumgebung über die Gewährleistung von Beteiligungsstrukturen von Jugendlichen bei Programm- und Konzeptentwicklung bis hin zu Service- und Kundenorientierung reicht. Menschenrechte spielen dabei eine besondere Rolle.

Was bedeutet das Quality Label for Youth Centres für das wannseeFORUM?

Zunächst einmal bedeutet es für unsere gesamte Einrichtung den Ausdruck von Anerkennung und insbesondere eine Wertschätzung für die pädagogische Leitlinie und die konkrete Bildungsarbeit des Hauses. Wir sind nun Teil eines gesamteuropäischen Netzwerkes, momentan bestehend aus 14 Jugendbildungseinrichtungen, das stetig wächst. Derzeit sind wir die einzige Bildungsstätte im deutschsprachigen Raum. Das sehen wir wiederum mit der Verantwortung verbunden, unser Wissen mit anderen interessierten Bildungsstätten zu teilen.

Das Qualitiy Label for Youth Centres zeichnet für alle Teilnehmer*innen und Gäste sichtbar die Qualität unseres Hauses aus. Die Qualitätskriterien, denen wir dabei standhalten müssen, reichen vom Schwerpunkt der Einrichtung über die Schaffung eines toleranten, respektvollen Klimas bis hin zur aktiven Beteiligung von Jugendlichen an der Programmgestaltung. Für alle Bereiche des Hauses gelten nun europäische Standards. Die Mitarbeiter*innen sehen sich dem Label verbunden und treten damit für die Menschenrechte und Grundfreiheiten ein, für die der Europarat und seine 47 Mitgliedstaaten stehen.

Wer im wannseeFORUM Veranstaltungen durchführt, tut das in einer Einrichtung, die ausgezeichnet ist für die Achtung der Menschenrechte und das Eintreten für die Menschenrechte. Eine Zertifizierung durch die, nach eigener Aussage, führende Menschenrechtsorganisation des Kontinents zeichnet nicht nur die Qualität der Menschenrechtsbildung und Standards in unserem Hause aus. Es ist zugleich ein klares Bekenntnis für ein solidarisches Europa und für die Unabdingbarkeit der Menschenrechte und gegen einen wachsenden Rassismus, dem sich klar entgegenzustellen ist.

Politische Bildungsarbeit kann im 21. Jahrhundert nicht in nationalstaatlichen Grenzen gedacht werden, schon gar nicht innerhalb der Mitgliedstaaten des Europarats. Bildner*innen müssen Auswirkungen globaler Herausforderungen in Bezug auf Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Migration, Digitalisierung und Klimawandel analysieren und kritisch hinterfragen. Dazu wollen wir als Jugendbildungsstätte explizit beitragen. Mit der Verabschiedung der Agenda Bildung 2030 durch die Vereinten Nationen entstand eine staatenübergreifende Verpflichtung für schulische und außerschulische Einrichtungen, ihre Lehr- und Seminarpläne inklusiv und diversitätsbewusst zu gestalten. Leitgedanke ist der Anspruch, chancengleiche Bildung für alle Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft oder sozialem Milieu zu ermöglichen.

Jugendliche und Multiplikator*innen aus ganz Europa als Gäste zu begrüßen, ist für die Stiftung wannseeFORUM nicht nur deshalb eine besondere Bereicherung. In den Seminaren wird zudem die kritische Auseinandersetzung mit eigenen Grenzen gefördert, ein Beitrag zum Abbau von Bias. Die Auszeichnung gibt der Stiftung darüber hinaus die Möglichkeit, gemeinsam mit Kolleg*innen aus ganz Europa Standards für die Vermittlung von Human Rights Education zu setzen. Mit dem Label kommen wir unserem Ziel, ein Tor für Jugendliche nach Europa und von Europa nach Berlin zu sein, einen großen Schritt näher.

Jährlich treffen sich Bildungsreferent*innen und Hausleitungen alternierend in den Bildungsstätten zu Weiterbildungen. Nicht nur unsere Einrichtung profitiert davon. Eine nicht unerhebliche Anzahl der Beschäftigten sind auf Landes- und Bundesebene in Gremien eingebunden, in die sie ihre Erfahrungen hineintragen können. Dazu zählen die Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung und der Arbeitskreis der Berliner Jugendbildungsstätten (ABJ), vor allem aber der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e. V. (AdB), seine Fachkommissionen und sein Programm „Politische Jugendbildung im AdB“.

Was hat sich durch das Label verändert?

Durch die Verleihung des Quality Label des Europarates für Jugendzentren und die Kooperation mit der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ sowie die Durchführung des transnationalen Projektes ART WORKS! hat sich für uns der Fokus auf die Menschenrechtsbildung seit 2018 deutlich verstärkt. Wir betrachten sie als fachbereichsübergreifendes Querschnittsthema, das zunehmend an Relevanz und Sichtbarkeit gewinnt. Neben der zunehmenden Internationalisierung unserer Seminarformate stellt diese Profilschärfung zeitgleich ein großes Potenzial und eine große Herausforderung dar. Wir müssen uns u. a. mit dem künftigen Stellenwert der Menschenrechtsbildung im Gesamtangebot der Bildungsstätte auseinandersetzen, Erfahrungen auswerten sowie Konzepte für erprobte Angebote weiterentwickeln.

Tatsächlich ergaben sich schon erste Veränderungen während des Bewerbungsprozesses. Abteilungsübergreifend entwickelten wir eine Respektcharta. Sie enthält die Werte, denen wir uns verpflichtet sehen und akzentuiert die Bedeutung der Menschenrechte und des Grundgesetzes für unsere Arbeit. Letzteres ist auch in unserer Satzung Bezugspunkt. Die Charta wird allen Gästen vor dem Besuch zur Kenntnis zugeschickt und zu Beginn unserer Eigenseminare vorgestellt. Dieser Grundkonsens gibt Orientierungshilfe beim Umgang miteinander und wirkt unter den Beschäftigten und unseren Gästen im Alltag.

Nicht nur hier waren alle Bereiche des Hauses eingebunden. Da, neben der Qualität der Bildungsarbeit, die gesamte Einrichtung bewertet wird, zogen alle Bereiche, von Hauswirtschaft über Haustechnik und Verwaltung bis hin zur Pädagogik an einem Strang. Das brachte alle Beschäftigten der Stiftung einander näher. Gemeinsam gelang es uns, den Anforderungskatalog zu erfüllen. Diese Kriterien stehen weiterhin auf dem Prüfstand und nach einer dreijährigen Testperiode wird entschieden, ob wir das Label weiterführen dürfen.

Welchen Entwicklungsbedarf sehen Sie?

Zu den Herausforderungen, denen wir uns derzeit stellen, zählt u. a. die Schaffung eines Jugendbeirats. Da wir keinen Träger im Hintergrund haben, sind junge Teilnehmer*innen in den Entscheidungsgremien der Stiftung nicht vertreten. Den sich hier abzeichnenden Widerspruch zwischen der Beteiligung der Jugendlichen in der Planung und Durchführung von Seminaren, aber keiner direkten Vertretung in Vorstand und Kuratorium, gilt es aufzulösen.

Einen weiteren Baustein sehen wir darin, Menschenrechte nicht nur in unseren Seminaren zu akzentuieren, sondern sie im Alltäglichen sichtbar und erfahrbar zu machen. Konkret beschäftigen wir uns mit der Gestaltung unserer Flure, der Schlaf- und Seminarräume und der Überprüfung und Auslage von Seminar- und Informationsmaterial. Nur wenn Menschenrechte sichtbar und verständlich sind, können sie eingefordert werden.

Die Anzahl unserer Projekte auf europäischer Ebene nimmt stetig zu. Dies drückt sich auch auf Zuwendungsseite aus. Wir stellen vermehrt Anträge bei Erasmus+ JUGEND IN AKTION und arbeiten mit Partnern aus ganz Europa zusammen. Um hier erfolgreich zu sein, müssen alle Bereiche des Hauses mitgenommen und entsprechend fortgebildet werden. Zudem sticht die Einführung eines neuen Planungsinstruments, des sogenannten Actionplan, bevor. Hierzu erhielten alle Einrichtungsleiter*innen der gelabelten Zentren eine Fortbildung. Um gegenseitige Sprachbarrieren abzubauen, sehen wir zudem den Bedarf von Englischkursen für die Belegschaft.

Welche Erkenntnisse können Sie an andere Einrichtungen weitergeben?

Alle Bereiche der Einrichtung machen neue Erfahrungen und bekommen neue Impulse von denen wir als Ganzes profitieren. Grundvoraussetzung dafür ist, dass sich alle darauf einlassen und so stehen wir immer wieder vor neuen Herausforderungen. Der Schritt auf die europäische Ebene ist kein Selbstläufer und fordert Zeit und Geduld von allen Beteiligten. Umso größer ist die Freude, wenn unsere Einrichtung eine weitere Stufe erklommen hat, die Umsetzung der Qualitätsstandards des Youth Centre Quality Label of the Council of Europe zu gewährleisten. Auch wenn es, wie aktuell durch die Corona-Krise langsamer vorangeht, es lohnt sich auf jeden Fall, sich auf europäischer Ebene zu engagieren.

Zum Interviewpartner/zur Interviewpartnerin

Dr. Roman Fröhlich ist Pädagogischer Leiter der Stiftung wannseeFORUM.
froehlich@wannseeforum.de
Tina Leskien ist Dozentin im Fachbereich Politische Bildung der Stiftung wannseeFORUM.
leskien@wannseeforum.de