Außerschulische Bildung 2/2021

Die demokratische Erziehung Deutschlands

Von der Reeducation zur politischen Erwachsenenbildung in einer pluralen Gesellschaft

Die Politische Bildung in der Bundesrepublik Deutschland baut auf die Reeducation- und Reorientation-Politik der Nachkriegszeit auf. Ein genauer Blick auf die Prämissen dieser Politik legt offen, dass diese womöglich nicht dazu taugen, eine politische Erwachsenenbildung in einer Migrationsgesellschaft zu rahmen. Zumindest ergeben sich Probleme, die adressiert werden sollten. von María do Mar Castro Varela

Politische Bildung heute versucht den Bürger*innen Informationen bereitzustellen und Wege zu eröffnen, die es diesen ermöglicht, sich an demokratischen Entscheidungen und Vorgängen zu beteiligen. Partizipation ist das politische Zauberwort. Ohne gelingende Partizipationsprozesse wird die Demokratie, die des politisch reifen Volkes bedarf, gefährlich geschwächt. Dies öffnet totalitären Systemen Tor und Tür. Kaum zufällig beginnt die Politische Bildung der Bundesrepublik Deutschland mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, dem Sieg über die nationalsozialistische Herrschaft. Die Frage, die sich stellte war so schlicht wie kompliziert: Was ist notwendig, um Menschen, die eine Gewaltherrschaft passiv und auch aktiv unterstützt haben, zu Demokrat*innen zu machen? Und wie kann verhindert werden, dass sich Verbrechen wie die, welche während des Nationalsozialismus begangen wurden, nicht wiederholen? Der Fall „Deutschland nach 1945“, ist in vieler Hinsicht einzigartig. Ein Blick in die Geschichte ermöglicht es, nicht nur die Dringlichkeit von Politischer Bildung zu verstehen, sondern darüberhinausgehend ebenso zu ergründen, was falsch gelaufen ist mit der Politischen Bildung in Deutschland. So wäre zu fragen, warum die Politische Bildung der Bundesrepublik Deutschland im 21. Jahrhundert sich immer noch schwertut, eine heterogene Migrationsgesellschaft zu adressieren. Oder warum ein NSU-Komplex so lange ungehindert Migrant*innen ermorden konnte und eine Bewegung wie PEGIDA möglich wurde.

Der autoritäre Charakter

Aus der Retrospektive erscheint die Zeit des Nationalsozialismus als schonungsloser Eingriff in die Sozialstruktur der Gesellschaft und den demokratischen Gemeinsinn. Dieser wurde bekanntlich dermaßen gebrochen, dass eine große Mehrheit der deutschen Bevölkerung zu Täter*innen und Mitläufer*innen der mörderischen nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden, denen Millionen Menschen zum Opfer fielen. Dan Diner (1988) spricht in diesem Zusammenhang von einem „Zivilisationsbruch“, während Max Horkheimer und Theodor W. Adorno (1988/1944) auf die historischen Kontinuitäten und die „Dialektik der Aufklärung“ verweisen. Aufklärung ist für Horkheimer und Adorno nicht ohne eine instrumentelle Vernunft zu denken und sie zeigt sich außerdem verwoben mit einem mythischen Denken. Gewalt und Irrationalität ist der Aufklärung somit inhärent.