Außerschulische Bildung 2/2021

Politische Bildung im Grundschulalter

Entwicklungspsychologische Voraussetzungen, empirische Befunde und Handlungsempfehlungen

Der Beitrag fasst aus Sicht der Entwicklungspsychologie (Sabina Pauen) die entwicklungspsychologischen Voraussetzungen für politische Bildung im Grundschulalter zusammen und stellt aus Sicht der Didaktik des Sachunterrichts (Thomas Goll) deren empirisch fassbare Umsetzung vor. Dabei wird deutlich, dass politische Bildung mit Grundschüler*innen prinzipiell möglich ist, dass wir aber über die schulischen und außerschulischen Lehr-Lern-Prozesse und deren Ergebnisse noch kaum etwas wissen. Daher stehen am Ende des Beitrags Handlungsempfehlungen, wie diese Lücke geschlossen und politisches Lernen mit Kindern im Grundschulalter gefördert werden kann. von Sabina Pauen und Thomas Goll

Kinder sind soziale Wesen. Sie wachsen in Gruppen auf, die man auf unterschiedlichen Hierarchie-Ebenen beschreiben kann. Die kleinste soziale Einheit ist die Familie. Auf höheren Ebenen sind Gemeinschaften hierzulande von der Kommune, über den Kreis, das Bundesland bis hin zum Staat organisiert. Über diese Organisationsstruktur werden Kinder erst relativ spät unterrichtet. Gleiches gilt für zentrale Konzepte unseres politischen Systems wie Gewaltenteilung, Meinungsfreiheit oder freie Wahlen. Solche Themen tauchen im Lehrplan der meisten Schulen erst gegen Ende der Grundschulzeit auf. Das liegt unter anderem daran, dass man bei jüngeren Kindern noch immer wenig Interesse an Politik vermutet und zudem annimmt, sie seien noch nicht in der Lage, politische Konzepte und Prozesse zu verstehen. Ob das stimmt, bleibt zu klären, denn empirische Befunde zum Thema sind bislang rar.

Auch junge Kinder treffen bereits Entscheidungen, die auf politisches Interesse hinweisen. So etwa, wenn sie sich vegetarisch ernähren wollen, um Tiere zu schützen, wenn sie für „Fridays for Future“ auf die Straße gehen, oder wenn sie über die Regeln zum Umgang mit der Corona-Pandemie und ihre Bekämpfung Bescheid wissen wollen. Weil sich der Informationsradius junger Kinder durch die Nutzung moderner Informationstechnologie stark gewandelt hat, kommen sie immer früher in Berührung mit Themen, die der „großen Politik“ zuzurechnen sind, die sie aber auch ganz persönlich betreffen und beschäftigen. Anlass genug zu fragen, welche geistigen und sozialen Fähigkeiten politisches Denken und Handeln überhaupt erst möglich machen und wie sich diese Fähigkeiten im Verlauf der Kindheit herausbilden. Gleichzeitig werfen wir einen Blick auf die Frage, wie politische Bildung für Kinder heute in der schulischen Praxis gedacht ist und wie sie wirklich aussieht. Davon ausgehend erörtern wir schließlich, was sinnvolle Ansatzpunkte für gelingende demokratische und politische Bildung im Kindesalter sein können.

Entwicklungspsychologische Voraussetzung für politisches Denken und Handeln