Außerschulische Bildung 2/2020

Daniel Hornuff: Die Neue Rechte und ihr Design

Vom ästhetischen Angriff auf die offene Gesellschaft

Bielefeld 2019
transcript Verlag, 126 Seiten
 von Norbert Tillmann

Das Widererstarken der Rechten ist offenkundig. Daniel Hornuff, Professor für Theorie und Praxis der Gestaltung an der Kunsthochschule in Kassel, geht davon aus, dass sich die Ideologie der Neuen Rechten nicht geändert hat. Die Inhalte seien aus der Zeit des Faschismus nahezu gleichgeblieben, aber neu sei das öffentliche Erscheinen von alltäglichen Gegenständen, der Kleidung bis hin zur medialen Präsenz. Darin sieht der Autor einen Angriff auf die offene Gesellschaft, der vor allem mit ästhetischen Mitteln geführt werde, so Hornuff.

Der Kulturwissenschaftler untersucht die ästhetischen Formen der Neuen Rechten, zu denen er das Spektrum von der Identitären Bewegung bis hin zur AfD zählt. Alltägliche Beispiele sind Aufdrucke auf Kaffeetassen wie: „Deutsche Ureinwohner“, oder „Deutschland retten“. Diese Präsenz im Alltag transportiert das Narrativ der Neuen Rechten von der Überfremdung.

Ein anderes Beispiel ist ein Facebook-Post von 2018 mit dem Satz: „Schützt den deutschen Wald“. Hier besetzt die Neue Rechte das Umweltthema und deutet es in Richtung eines völkischen Naturschutzes um. Auf rechten Plattformen werden diese Naturschutzbilder häufig mit einer Verabsolutierung des Mutter-Bildes in Verbindung gebracht. Hier führt Hornuff das Wahlplakat der AfD von 2017 mit der damaligen Vorsitzenden Frauke Petry und ihrem Baby an. Auf dem Plakat heißt es: „Und was ist ihr Grund für Deutschland zu kämpfen?“. Damit greife die AfD letztlich ein Motiv der NSDAP auf und veröffentliche dieses in einem aktuellen ästhetischen Design.

In scheinbar harmlosen „Koch-Videos“ auf YouTube, dem wohl größten Verbreitungsmedium der Neuen Rechten, werden beiläufig rassistische Bemerkungen fallen gelassen. Andeutungen setzen auf Mehrdeutigkeiten, um gewünschte Einstellungen zu stimulieren und um sich der Strafverfolgung wegen verfassungsfeindlicher Äußerungen zu entziehen.

Ein weiteres Beispiel des ästhetischen Konzepts der Neuen Rechten ist die Präsentation von Personen. In einer Portrait-Reihe auf der Website der Identitäten Bewegung sind smarte junge Leute, in ihrer alltäglichen Kleidung zu sehen. Sie zeigen sich harmlos mit Hipster-Image und nehmen damit Abstand von dem Habitus der Alt-Faschisten. Diese Selbstdarstellung der Personen aus der Identitären Bewegung unterscheidet sich in der ästhetischen Form nicht wesentlich von der Darstellung in den allgemeinen Medien. Durch Sticker o. Ä. zeigt sich aber eine Verbundenheit und Zugehörigkeit zur Neuen Rechten. Die Neue Rechte will offenbar das Klischee des dumpfen, männlichen Nazi-Typen mit Bomberjacke hinter sich lassen. Ihr Ziel ist, so Hornuff, mit ihrem Design die Gesellschaft von innen, in ihrer Mitte zu schwächen, indem sie in die Alltäglichkeit drängt. Diese Untersuchungen praktischer Erscheinungsformen der Neuen Rechten münden bei Hornuff in seiner Kernthese: „Die Feinde der offenen Gesellschaft erscheinen in den Gewändern der offenen Gesellschaft.“ (S. 11).

Sein Anliegen ist die Analyse des „rechten“ Designs. Die Auseinandersetzung mit der Ästhetik der Neuen Rechten ist wichtig für ein politisches Bewusstsein, so Hornuff, das die Aufklärung nicht nur vernunftgeleitet versteht, sondern vielmehr als ein immer wiederkehrendes Begründen. Hornuff will die ästhetische Raffinesse der Neuen Rechten verstehen, um ihr entgegenzutreten. Dabei verweist er auf Ähnlichkeiten des rechten und linken Verhaltens. Ein Beispiel sei die Äußerung des ehemaligen SPD Vorsitzenden Martin Schulz über Alexander Gauland von der AfD, dass dieser auf den Misthaufen der Geschichte gehöre. Nach Hornuff müssen die Gegner der Neuen Rechten aufpassen, nicht selbst deren Stil zu übernehmen. Ebenso reiche ein moralischer Reflex auf die Neue Rechte nicht aus. Hinzukommen müsse eine Kritik der eigenen Perspektive. Die Propagierung der eigenen moralischen Überlegenheit berge die Gefahr blinder Flecken. Die Sensibilität für die eigenen Bedingtheiten traut der Autor den Vertretern der offenen Gesellschaft auch zu. Diese mache den eigentlichen Unterschied zur Neuen Rechten aus. Gerade die wissenschaftliche Forschung müsse das Prinzip des Bezweifelns befolgen. Dies lasse die Neue Rechte außer Acht. In ihren medialen Darstellungen vollzieht sich ein fließender Übergang zu Verschwörungstheorien. Erkenntnisse und Ideologie vermengen sich auf wissenschaftlich unzulässige Weise.

Hornuff schlägt vor, in der Bildungsarbeit die Inszenierung der Neuen Rechten intensiver als bislang zu analysieren. Dabei sollte kein Rückzug auf die Gleichgesinnten erfolgen, sondern eine Auseinandersetzung mit der Neuen Rechten.

Das Thema dieses Buches ist ein wesentlicher Gegenstand der politischen Bildung. Es bleibt die Befürchtung des Autors, dass die Feinde der offenen Gesellschaft nicht mehr am Rand, sondern inmitten des gesellschaftlichen Lebens stehen.