Außerschulische Bildung 2/2020

Norbert Jung/Heike Molitor/Astrid Schilling (Hrsg.): Was Menschen bildet

Bildungskritische Orientierungen für gutes Leben

Das zentrale Anliegen dieses Sammelbandes ist die Frage, wie Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung zu definieren sind. Welches Bildungsverständnis liegt diesem Bildungsanspruch zugrunde? Welche Bildung brauchen und wollen wir? Im einleitenden Artikel des hier vorliegenden Bandes 5 der Eberswalder Beiträge zu Bildung und Entwicklung der Hochschule im Land Brandenburg gibt Jakob von Uexküll, Gründer des alternativen Nobelpreises, eine eindeutige und engagierte Antwort: Er verknüpft und füllt die Bildungsfrage mit ökologischen Inhalten und Zukunftsfragen. Dabei lehnt er ein Bildungsverständnis ab, das auf wirtschaftlicher und politischer Verwertbarkeit beruht. Er wendet sich gegen das separierte Spezialwissen und fordert stattdessen „zusammen-gedachte“ Lösungen für die Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft. Jakob von Uexküll plädiert für Erziehungssysteme, die ökologisch gebildete Menschen hervorbringen.

Hier schließt der Beitrag von Reinhard Schulz, Philosoph und Biologe, über Bildungstheorie und Kompetenzentwicklung an. Er verweist darauf, dass der Bildungsbegriff sich auf die deutsche Aufklärungstradition bezieht, während der Kompetenzbegriff für eine zunehmende Ökonomisierung der Bildung stehe. Einen Beleg dafür sieht er in den outputorientierten Studiengängen, wie sie im Rahmen des Bologna-Prozesses entstanden sind. Die Hochschulausbildung sei zu einem Wettbewerb um credit points verkommen. Für selbständiges Lernen, Sach- und Reflexionswissen fehle die Zeit. Auch das viel gepriesene lebenslange Lernen dürfe keine Fessel aus vorgefertigten Lösungen und Kompetenzen sein. Für die Menschen muss Raum für ein eigenes Erleben und das Einlassen auf Unvorhergesehenes zur Verfügung stehen, so Schulz. Daher müsse die lebenslange Eigenverantwortlichkeit eines jeden im Vordergrund stehen. Er fordert eine Umkehrung der Bildungspolitik weg vom Effizienzdenken. Schulz plädiert für eine Renaissance der Inhalte und des Fragens. Das fragende Lernen ist der Kern seines Bildungsverständnisses. Und innerhalb der Umweltbildung werde eine kritische und historische Naturphilosophie als Bestandteil zukünftiger Bildung benötigt.

Der Philosoph Julian Nida-Rümelin formuliert in seinem Beitrag drei Prinzipien einer humanen Bildungspraxis. Prinzip eins ist die Einheit der Person: Humane Bildung versteht den Heranwachsenden als ein Wesen eigenen Ranges, mit gleichem Respekt wie gegenüber Erwachsenen. Sie nimmt den ganzen Menschen in seiner Vielfalt in den Blick unabhängig vom Alter. Mit dem Prinzip Einheit des Wissens wendet sich Nida-Rümelin gegen die Trennung in Allgemeinwissen als Aufgabe der Schule und Spezialwissen als Aufgabe z. B. von Universitäten. Wissenschaftliches Denken sei kein Privileg der Hochschulen. Nida-Rümelin wendet sich gegen die Parzellierung des Wissens an den Schulen mit raschem Fächerwechsel von der Mathematik, über die Biologie hin zum Religionsunterricht usw. Es käme stattdessen darauf an, auch Kindern Zusammenhänge aufzuzeigen und bereits interdisziplinäres Wissen zu fördern. Das dritte Prinzip der Bildungspraxis ist für Nida-Rümelin die Einheit der Gesellschaft. Die humane Bildungspraxis selektiere und klassifiziere nicht, sondern sie fordert Bedingungen für ein gelungenes und autonomes Leben. Autor des eigenen Lebens zu sein, die Entfaltung der eigenen Fähigkeiten – das ist die Botschaft seiner Bildungsphilosophie.

In dem vorliegenden Band folgen weitere bildungstheoretische Überlegungen über die Notwendigkeit schöpferischer Muße als Voraussetzung von Bildung oder dem Nichtwissen als Befreiung usw. Es schließen sich zahlreiche Praxisbeispiele zur Umweltbildung mit Kindern an.