Außerschulische Bildung 2/2020

Stefanie Graefe: Resilienz im Krisenkapitalismus

Wider das Lob der Anpassungsfähigkeit

Resilienz hat Konjunktur. Ist Resilienz tatsächlich das neue Ideal der Persönlichkeit und der Lebensgestaltung? Widerstands- und Anpassungsfähigkeit, Erschöpfung, Stress und Depressionen – das sind nur einige Stichworte der modernen Gesellschaft. Die Autorin zweifelt an der neoliberalen Vorstellung einer lebenslangen Selbstoptimierung, einer uneingeschränkten Leistungsbereitschaft sowie an dem rastlosen Aktivismus mit Ellbogenmentalität.

Der Aufstieg der Resilienz als Gegenmittel zur Erschöpfung, so Graefe, führt zwar einerseits zu einer größeren Sensibilität für die personalen Belange, aber andererseits zum Verschwinden der Kritik an der Arbeitswelt. Sie fragt nach dem Zusammenhang zwischen Erschöpfung als sozialer Erscheinung und Resilienz als scheinbar neuem Leitbild einer flexiblen, widerstandsfähigen, leistungsbereiten Persönlichkeit. Dabei weitet die Autorin den Begriff der Resilienz vom Subjekt auf die Vorstellungen über Gesellschaft aus.

Die Argumentation: Die in Jena lehrende Soziologin geht zunächst davon aus, dass Resilienz uns die Fähigkeit gibt, mit der zunehmend unüberschaubaren, komplexen Lebenswelt fertig zu werden. Doch kann uns Resilienz heute noch gesund halten? Ist Resilienz die geeignete Antwort auf den Krisenkapitalismus? Stefanie Graefe beobachtet eine allgemein verbreitete Erschöpfung. Nach ihrer Auffassung sind Burnout und Depressionen das Ergebnis des flexiblen Kapitalismus. So zeigt sich die Erschöpfung als Wesensmerkmal der Gegenwartsgesellschaft. Das Beharren auf die individuellen Widerstandskräfte – im Sinne einer falsch verstandenen Resilienz – entspricht der neoliberalen Weltvorstellung des leistungsstarken, belastbaren, anpassungsfähigen und erfolgreichen Subjekts.

So zeigt sich dieses Resilienzkonzept als passgenaue Antwort auf die Erschöpfung im Krisenkapitalismus – mit der fatalen Wirkung, dass die Erfordernisse und Probleme im Selbst bearbeitet werden – die wirtschaftlich geforderte Selbstorganisation dringt ins Subjekt ein.