Außerschulische Bildung 1/2024

Statement

Viele von uns haben das Privileg, in einer Demokratie aufgewachsen zu sein. Demokratie ist dann schnell ein theoretisches Konzept aus dem Politikunterricht, in dem aktives und passives Wahlrecht, Institutionen wie Parlamente, Regierungen und Verfassungsgerichte und verschiedene Wahlsysteme besprochen werden. Die Demokratie wird dann schnell zu einer als unveränderlich wahrgenommenen Beständigkeit, einem kontinuierlichen Fluss von Wahlen und neuen Regierungen, Gesetzen und Änderungen.

Die Debatten über das Erstarken der in Teilen rechtsextremistischen AfD, verfassungsfeindlicher Deportationspläne und Umsturzphantasien in den vergangenen Wochen haben klargemacht: Die Demokratie ist – auch aufgrund ihrer liberalen Konstruktion, die Protest, Gesetzesänderungen und die Wahl von Antidemokrat*innen ermöglicht – niemals unveränderlich oder garantiert. Es gilt die Verfassung mit all ihren Aspekten mit Leben zu füllen, denn ohne politisches Leben verkommt die Demokratie. Und sie verkommt auch mit einer Verrohung des Diskurses.

Wer anfängt, Politik nicht als ein unveränderliches Kontinuum von Entscheidungen weit entfernter Mandatsträger*innen über unverständliche Gesetzestexte wahrzunehmen, stellt fest, dass unser gesamtes Leben von Politik geprägt ist: Der Zustand von Straßen, wie teuer der Strom ist, ob es genug Lehrer*innen und saubere Sporthallen gibt, wie oft der Bus kommt. Nichts davon ist gottgegeben. Nicht politisch sein, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Und auch nicht unbedingt erstrebenswert. Wer erkennt, dass die Welt in der wir leben nicht unumstößlich ist, kann auch anfangen, sie mitzugestalten.

Wahlen sind nur ein Mittel von vielen, wenn es darum geht, die Welt in der wir leben mitzugestalten. Politisches Handeln entscheidet sich allerdings nicht nur einmal alle vier Jahre, sondern auch immer wieder dazwischen. Wie wir als Gesellschaft über Ideen, Werte und Forderungen sprechen beeinflusst politische Entscheidungen – und damit auch wieder uns als Gesellschaft.

Dafür braucht es bestimmte Grundbedingungen: Eine informierte Öffentlichkeit, Versammlungsfreiheit, eine Demokratie, in der die öffentliche Stimmung Politiker*innen nicht egal sein kann. Sind diese Bedingungen erfüllt, haben alle die Möglichkeit, nicht nur passive Konsument*innen von Politik, sondern mündige Bürger*innen zu sein, die auch zwischen den Wahlterminen Gesellschaft mitgestalten.