Berliner Strategie gegen Kinderarmut
Rund ein Viertel der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren in Berlin lebt in relativer Armut. Diese Kinder und Jugendlichen erleben in allen Lebensbereichen nachteilige Folgen – ob es um Kleidung, Hobbys oder Ferien geht, um die Chancen auf einen guten Bildungsabschluss oder um ihre Gesundheit. Armut ist nicht auf materielle Fragen beschränkt. Sie wirkt sich auf die gesamte Entwicklung eines Kindes von der Geburt bis ins junge Erwachsenenalter aus. Armut zu erleben bedeutet Stress. Entwicklungsschritte sind durch Einschränkungen belastet, Aussichten bleiben verschlossen und soziale Kontakte begrenzt.
Die Erkenntnis, dass mehr getan werden muss, um allen Kindern und Jugendlichen gute Chancen zu bieten, hat dazu geführt, dass das Land Berlin im Jahr 2021 eine gesamtstädtische Strategie zur Prävention von Kinderarmut beschlossen hat. Anstelle mit einzelnen Maßnahmen und Programmen auf Armutslagen zu reagieren, soll zukünftig gesamtstädtisch, anhand eines abgestimmten Zielesystems und fünf Strategischen Leitlinien eine passgenaue Unterstützungsstruktur aufgebaut werden. So sollen die vielen guten Angebote im Land Berlin stärker als bisher verzahnt und eine Arbeitsweise des Miteinanders gefördert werden. Die enge Abstimmung zwischen den Behörden soll in der Folge zu einer Entlastung von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien führen, beispielsweise durch abgestimmte aufeinander aufbauende Leistungsangebote.
Mit dem Zielesystem und den Leitlinien für die Umsetzung hat die Landeskommission einen gesamtstädtischen Rahmen geschaffen, der das Miteinander fördert und den Austausch als grundlegendes Arbeitsmittel definiert.
Die 15 Strategischen Ziele, immer aus Sicht von Kindern und Jugendlichen formuliert, sind der Maßstab für das armutspräventive Handeln im Land Berlin. Sie sind durch sogenannte Handlungsziele konkretisiert und geben vor, was erreicht werden soll, um Armutsfolgen für Kinder und Jugendliche zu reduzieren.
Für die Umsetzung dieser Ziele gibt es einen eindeutigen Handlungsrahmen aus fünf Strategischen Leitlinien. Im Mittelpunkt des Handelns stehen die Integrierten bezirklichen Strategien.
Damit rücken die 12 Berliner Bezirke in das Zentrum der Armutsprävention. Dort gilt es, eine möglichst lückenlose Angebotsstruktur auf- und auszubauen. Denn passende Angebote und eine bedarfsgerechte Infrastruktur sind dort notwendig, wo Kinder aufwachsen. In allen Berliner Bezirken sind dafür gute Grundlagen vorhanden. Nun geht es darum, Angebote besser miteinander zu verzahnen und auf ihre Wirkung hin zu überprüfen. Werden diejenigen erreicht, für die das Angebot geplant wurde? Sind Einrichtungen und Angebote ausreichend niedrigschwellig, damit sie armutsbetroffene Familien, Kinder und Jugendliche ansprechen? Auch die Haltung und das Thema Armutssensibilisierung stehen mehr im Blick, damit alle Beteiligten noch stärker an einem Strang ziehen können und Angebote diejenigen erreicht, für die sie konzipiert wurden.
Es wäre allerdings zu kurz gedacht, wenn Armutsfolgen zukünftig allein das Aufgabengebiet der Bezirke wäre. So wichtig eine bedarfsgerechte Angebotsstruktur vor Ort ist, so entscheidend ist es, auf gesamtstädtische Bedarfe mit entsprechend ausgerichteten Programmen zu reagieren. Auch die Angebote des Landes sind daher regelmäßig auf ihre Wirkung hin zu überprüfen. Gibt es Lücken in der bezirklichen Angebotsstruktur, die gesamtstädtische Bedarfe aufzeigen? Hier ist das Land gefragt, über die Ausweitung bestehender Maßnahmen zu beraten, diese anders zu strukturieren oder auf neue Bedarfe entsprechend flexibel zu reagieren.
Darüber hinaus stellen die Strategischen Leitlinien Armutssensibilisierung und Wirkungsorientierung eine wichtige Verbindung zwischen den Aktivitäten auf Bezirks- und auf Landesebene dar. Erst wenn sich diese beiden Handlungsfelder als roter Faden gesamtstädtisch durch das Handeln auf allen Ebenen zieht, kann eine nachhaltige Wirkung der Armutsprävention erzielt werden.
Für die Umsetzung in den Bezirken, für die gesamtstädtische Steuerung der Prozesse und für die konzeptionelle Weiterentwicklung der Strategie ist es notwendig, dass sich Akteure auf den unterschiedlichen Ebenen und über die verschiedenen Ressorts hinweg verständigen und miteinander kooperieren. Die Reduzierung von Armut kann nicht von Einzelnen bzw. in einer einzigen fachlichen Zuständigkeit gelingen. Vielmehr ist es notwendig, dass möglichst viele Akteure aus Verwaltung, Zivilgesellschaft, aus der Politik und der Wissenschaft zusammenarbeiten und über passende Unterstützungsangebote beraten. Mit diesem Wissen wurde auch die Landeskommission zur Prävention von Kinder- und Familienarmut zusammengesetzt, die die Berliner Strategie gegen Kinderarmut entwickelt hat.
Für die Umsetzung der Strategie sind Information, Vernetzung und Kooperation entscheidend, deshalb wird jetzt in jedem Bezirk eine Koordinierungsstelle eingerichtet, die die Fäden aufnimmt, zusammenbringt und das Handeln vor Ort steuert. Der Überblick über den Gesamtprozess liegt in der Geschäftsstelle der Landeskommission zur Prävention Kinder- und Familienarmut, die bei der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie verortet ist. Die Landeskommission kommt auch weiterhin regelmäßig zusammen, um über notwendige Schritte zu beraten und Steuerungsprozesse anzuschieben. Mit dem gemeinsamen Ziel vor Augen, einer gesamtstädtischen Strategie als Grundlage und viel Engagement bei allen Akteuren sind wir dem Ziel, gezielter und nachhaltiger gegen Kinder- und Familienarmut in Berlin vorzugehen, einen deutlichen Schritt weitergekommen.
Mehr Informationen zur Berliner Strategie gegen Kinderarmut und zu Publikationen und Stellungnahmen der Landeskommission zur Prävention von Kinder- und Familienarmut finden sich unter: www.berlin.de/sen/jugend/jugend-und-familienpolitik/kinder-und-familienarmut
Regine.Schefels@senbjf.berlin.de