Außerschulische Bildung 1/2021

Auf dem Weg (?)

… zu einer rassismuskritischen Bildung(sstätte)

Dass Rassismus ein gesellschaftliches Problem ist und die politische Bildung sich dafür einsetzen sollte, Rassismus zu bekämpfen, ist in der politischen Bildungslandschaft sicherlich weitgehend Konsens. Doch was bedeutet das für die Institutionen der politischen Bildung? Die Jugendbildungsstätte Kaubstraße hat sich auf den Weg gemacht. von Roland Wylezol

Die Jugendbildungsstätte Kaubstraße ist seit über 40 Jahren Teil der außerschulischen politischen Bildung in Berlin und in Deutschland. Die Jugendbildungsstätte wurde gegründet von einer Gruppe engagierter Pfadfinder (es waren meines Wissens tatsächlich ausschließlich Männer), die das Jugendgästehaus in Berlin Wilmersdorf zur politischen Jugendbildungsstätte machten. Seit 2008 ist die Jugendbildungsstätte ein Bereich im Verein Alte Feuerwache e. V. – ein Träger mit ganz unterschiedlichen pädagogischen und gewerblichen Bereichen und ca. 70 Mitarbeitenden. Der Anspruch der Jugendbildungsstätte war es wohl immer, sich kritisch mit gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen auseinanderzusetzen und junge Menschen dabei zu unterstützen, ihren Weg in der Gesellschaft zu finden und diesen zu gehen. Doch welche Perspektiven standen und stehen hier im Vordergrund? Wer bestimmte und bestimmt über die Zielsetzungen und wie kamen und kommen diese Zielsetzungen zustande? Welche Notwendigkeiten sehen wir, um als Einrichtung rassismuskritisch zu agieren?

Unser Verständnis einer rassismuskritischen Bildung

Unser Verständnis Ich schreibe diesen Beitrag als Leiter der Jugendbildungsstätte Kaubstraße – wenn ich „uns“ benutze, bezieht sich dies auf die Bildungsstätte und nicht zwangsläufig auf den Verein Alte Feuerwache e. V. einer rassismuskritischen politischen Bildung beinhaltet, die Perspektiven derjenigen in den Vordergrund zu bringen, die sonst eher im Hintergrund sind. Hierfür schaffen wir – vor allem durch die Zusammenarbeit mit Kolleg*innen of Color – in unterschiedlichen Themenfeldern und Formaten Räume, in denen junge Menschen wirtschaftliche sowie politische Prozesse und Strukturen aus marginalisierten Perspektiven betrachten. In Seminaren des Globalen Lernens setzen sich die Teilnehmenden mit globalen Strukturen auseinander, die direkte Zusammenhänge zu ihren Lebenswelten haben und Konsequenzen des Reichtums des globalen Nordens auf Kosten des globalen Südens thematisieren. In Seminaren zu „Postmigrantischen Perspektiven“ geben wir jungen Menschen die Gelegenheit, ihre eigenen (Migrations-)Geschichten zu einem Bestandteil einer Geschichtsschreibung werden zu lassen, in der ihre Geschichten und Perspektiven zumeist nicht berücksichtigt werden und damit ihre so wichtige Expertise in einer rassismuskritischen politischen Bildung einzubringen. In Workshops und Seminaren, die sich mit Rassismus auseinandersetzen, geht es um das Erkennen, dass Rassismus nicht zwingend eine persönliche Entscheidung einer weißen gegenüber einer Schwarzen Person ist. Rassismus beherbergt ein seit Jahrhunderten gewachsenes Arsenal von individuellen und gesellschaftlichen Denk- und Verhaltensmustern, Weltsichten, globalen, politischen und persönlichen Handlungsweisen, die das Machtverhältnis zwischen Weißen und Nicht-Weißen manifestiert. Die Seminar-Teilnehmenden mit Rassismuserfahrungen spüren dies bewusst oder unbewusst täglich, während die Anderen zumeist ablehnen, darüber zu sprechen und die eigenen Privilegien als ungerecht anzuerkennen.