Außerschulische Bildung 4/2021

„Bildung als Praxis der Freiheit“

Gedanken und Erfahrungen einer Schwarzen Feministischen Trainerin zu emanzipatorischer Bildungsarbeit

Wann, wie und wo ist politische Bildungsarbeit emanzipatorisch? Wie kann diskriminierungskritische Bildungsarbeit stattfinden und weshalb ist diese Voraussetzung für emanzipatorische Lernräume- und Arbeitsbedingungen? Der folgende Beitrag beschäftigt sich anhand konkreter Beispiele mit der Frage wie diskriminierungskritische Bildungsarbeit gelingen kann. Bildungsarbeit wird hier als „Mittel“ zum Erreichen von gesellschaftspolitischer Transformation definiert und als Form politischen Widerstands und Empowerments verstanden. von Makda Isak

Meine erste bewusste Begegnung mit Versuchen beziehungsweise Ansätzen diskriminierungskritischer Bildungsarbeit fand in einem Workshop zu Rassismus im Rahmen meines weltwärts Der entwicklungspolitische Freiwilligendienst weltwärts ist ein Programm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und richtet sich vorrangig an junge deutsche Erwachsene, die einen einjährigen Freiwilligendienst im Globalen Süden absolvieren möchten. Vorbereitungsseminars statt. Am Morgen des Workshops hat die Seminarleiterin das Gespräch mit mir gesucht, um mich zu fragen, ob ich an dem Workshop teilnehmen möchte. Da ich die einzige Schwarze und nicht-weiße Teilnehmerin in dem Seminar war, befürchtete sie, dass ich mich im Workshop unwohl fühlen würde. Irritiert über die Frage, antwortete ich, ob es denn ein Alternativprogramm für mich gibt. Da dem nicht so war und ich nicht als einzige Teilnehmerin für den Tag abwesend sein wollte (und zugegebenermaßen neugierig auf die Reaktionen meiner weißen Mitfreiwilligen auf den Workshop war), habe ich beschlossen teilzunehmen. Heute, über neun Jahre später, verstehe ich das Gespräch, welches die Seminarleitung mit mir gesucht hat, als einen Versuch, meine Präsenz in diesem Seminar anzuerkennen. Ein Versuch, der leider immer noch nicht selbstverständlich ist und gleichzeitig nicht ausreicht. Er verdeutlicht, dass die meisten weißen Bildungsakteur*innen von ausschließlich oder überwiegend weißen Lernräumen ausgehen und dementsprechend die Themen setzen. Themen und Methoden, die auf eine weiße Zielgruppe ausgerichtet sind und – wie mein Fall zeigt – die Existenz von nicht-weißen Teilnehmenden ignorieren oder zu spät bemerken. Das Gespräch am selben Tag des Kritischen Weißsein-Workshops mit der einzigen Schwarzen Teilnehmerin zu suchen, weist auf bestimmte Leerstellen politischer Bildungsarbeit hin. Es verdeutlicht, wie die Lernerfahrungen rassifizierter Teilnehmenden oft keine Priorität haben, sondern – wenn überhaupt – zu spät thematisiert werden.

Rückblickend betrachte ich dieses Erlebnis außerdem als einen Schlüsselmoment für meinen Werdegang als Akteurin der politischen Bildungsarbeit. Nach meinem absolvierten Freiwilligendienst bekam ich die Möglichkeit, mich mit weiteren Schwarzen ehemaligen Freiwilligen auszutauschen. Wir alle hatten in unseren Vor- und Nachbereitungsseminaren ähnliche Erfahrungen gemacht: Entweder wurden die Themen Rassismus und Diskriminierung als nicht wichtig genug oder als zu schwierig angesehen und dementsprechend überhaupt nicht thematisiert, oder es fanden Module zu kritischem Weißsein statt, ohne alternative Empowermenträume für BiPoC-Teilnehmende anzubieten.

Durch unser eigenes Bedürfnis, uns in einem sichereren Raum (safer space) als BiPoC über unsere Erfahrungen und Perspektiven auszutauschen, entstand schnell die Idee, als Ansprechpersonen für zukünftige Freiwillige of Color zu agieren. Aus Gesprächsrunden entstanden Empowermenträume, die wir selbst konzipiert und realisiert haben. Und „plötzlich“ befanden sich einige von uns in der Rolle als Teamer*in und Empowermenttrainer*in. Die Erfahrungen, die ich als Raumhalterin in solchen und weiteren Empowermentkontexten gesammelt habe, haben meinen Werdegang als Trainerin sehr geprägt. Vor allem verdeutlichen sie, wie emanzipatorische Bildungsräume in politischer Arbeit und die eigene Eingebundenheit in diese Arbeit und dessen Inhalte eingebettet sind. Meine ersten Erfahrungen als Akteurin der politischen Bildungsarbeit fanden in solchen und weiteren aktivistischen Kontexten statt.