Außerschulische Bildung 4/2021

„Bildung als Praxis der Freiheit“

Gedanken und Erfahrungen einer Schwarzen Feministischen Trainerin zu emanzipatorischer Bildungsarbeit

Wann, wie und wo ist politische Bildungsarbeit emanzipatorisch? Wie kann diskriminierungskritische Bildungsarbeit stattfinden und weshalb ist diese Voraussetzung für emanzipatorische Lernräume- und Arbeitsbedingungen? Der folgende Beitrag beschäftigt sich anhand konkreter Beispiele mit der Frage wie diskriminierungskritische Bildungsarbeit gelingen kann. Bildungsarbeit wird hier als „Mittel“ zum Erreichen von gesellschaftspolitischer Transformation definiert und als Form politischen Widerstands und Empowerments verstanden. von Makda Isak

Meine erste bewusste Begegnung mit Versuchen beziehungsweise Ansätzen diskriminierungskritischer Bildungsarbeit fand in einem Workshop zu Rassismus im Rahmen meines weltwärts Der entwicklungspolitische Freiwilligendienst weltwärts ist ein Programm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und richtet sich vorrangig an junge deutsche Erwachsene, die einen einjährigen Freiwilligendienst im Globalen Süden absolvieren möchten. Vorbereitungsseminars statt. Am Morgen des Workshops hat die Seminarleiterin das Gespräch mit mir gesucht, um mich zu fragen, ob ich an dem Workshop teilnehmen möchte. Da ich die einzige Schwarze und nicht-weiße Teilnehmerin in dem Seminar war, befürchtete sie, dass ich mich im Workshop unwohl fühlen würde. Irritiert über die Frage, antwortete ich, ob es denn ein Alternativprogramm für mich gibt. Da dem nicht so war und ich nicht als einzige Teilnehmerin für den Tag abwesend sein wollte (und zugegebenermaßen neugierig auf die Reaktionen meiner weißen Mitfreiwilligen auf den Workshop war), habe ich beschlossen teilzunehmen. Heute, über neun Jahre später, verstehe ich das Gespräch, welches die Seminarleitung mit mir gesucht hat, als einen Versuch, meine Präsenz in diesem Seminar anzuerkennen. Ein Versuch, der leider immer noch nicht selbstverständlich ist und gleichzeitig nicht ausreicht. Er verdeutlicht, dass die meisten weißen Bildungsakteur*innen von ausschließlich oder überwiegend weißen Lernräumen ausgehen und dementsprechend die Themen setzen. Themen und Methoden, die auf eine weiße Zielgruppe ausgerichtet sind und – wie mein Fall zeigt – die Existenz von nicht-weißen Teilnehmenden ignorieren oder zu spät bemerken. Das Gespräch am selben Tag des Kritischen Weißsein-Workshops mit der einzigen Schwarzen Teilnehmerin zu suchen, weist auf bestimmte Leerstellen politischer Bildungsarbeit hin. Es verdeutlicht, wie die Lernerfahrungen rassifizierter Teilnehmenden oft keine Priorität haben, sondern – wenn überhaupt – zu spät thematisiert werden.

Rückblickend betrachte ich dieses Erlebnis außerdem als einen Schlüsselmoment für meinen Werdegang als Akteurin der politischen Bildungsarbeit. Nach meinem absolvierten Freiwilligendienst bekam ich die Möglichkeit, mich mit weiteren Schwarzen ehemaligen Freiwilligen auszutauschen. Wir alle hatten in unseren Vor- und Nachbereitungsseminaren ähnliche Erfahrungen gemacht: Entweder wurden die Themen Rassismus und Diskriminierung als nicht wichtig genug oder als zu schwierig angesehen und dementsprechend überhaupt nicht thematisiert, oder es fanden Module zu kritischem Weißsein statt, ohne alternative Empowermenträume für BiPoC-Teilnehmende anzubieten.

„Sitzen allerdings PoC in Räumen, in denen sich alle Anwesenden ihrer weißen Privilegien bewusst werden sollen, ist ein Denkfehler passiert. Wieder ist die Zielgruppe nur weiß (…). Nicht selten haben wir es erlebt, dass PoC in diesen Räumen als ‚Paradebeispiel‘ – live und direkt – von ihren eigenen Rassismuserfahrungen berichten sollen, ungeachtet dessen, dass sie selbst vielleicht noch keine Möglichkeit hatten, diese schmerzhaften Erfahrungen zu verarbeiten.“ (Isak/Nsenga 2015, S. 71)

Durch unser eigenes Bedürfnis, uns in einem sichereren Raum (safer space) als BiPoC über unsere Erfahrungen und Perspektiven auszutauschen, entstand schnell die Idee, als Ansprechpersonen für zukünftige Freiwillige of Color zu agieren. Aus Gesprächsrunden entstanden Empowermenträume, die wir selbst konzipiert und realisiert haben. Und „plötzlich“ befanden sich einige von uns in der Rolle als Teamer*in und Empowermenttrainer*in. Die Erfahrungen, die ich als Raumhalterin in solchen und weiteren Empowermentkontexten gesammelt habe, haben meinen Werdegang als Trainerin sehr geprägt. Vor allem verdeutlichen sie, wie emanzipatorische Bildungsräume in politischer Arbeit und die eigene Eingebundenheit in diese Arbeit und dessen Inhalte eingebettet sind. Meine ersten Erfahrungen als Akteurin der politischen Bildungsarbeit fanden in solchen und weiteren aktivistischen Kontexten statt.

Soziale Gerechtigkeit und strukturelle Diskriminierung als Lernthemen zu zentrieren, ermöglichen Momente des Empowerments und fordern die aktive Beteiligung der Lernenden und Lehrenden.

Der Titel dieses Artikels weist auf diese wichtige Verbindung von Bildung und gesellschaftspolitischer Transformation hin und zitiert das gleichnamige Buch der Schwarzen US-Amerikanischen, feministischen Theoretikerin bell hooks: In „Teaching to Transgress: Education as the Practice of Freedom“ (1994) betont hooks die Rolle von Bildung als zentralen Bestandteil sozialer Bewegungen und die Notwendigkeit von emanzipatorischen Bildungsräumen. Dazu gehören nicht nur der Klassenraum oder der Hörsaal. hooks beschreibt Bildung als einen politischen Akt, der allen Beteiligten dazu verhelfen soll Unterdrückung entgegenzuwirken. Soziale Gerechtigkeit und strukturelle Diskriminierung als Lernthemen zu zentrieren, ermöglichen Momente des Empowerments und fordern die aktive Beteiligung der Lernenden und Lehrenden.

„When education is the practice of freedom, students are not the only ones who are asked to share, to confess. Engaged pedagogy does not seek simply to empower students. Any classroom that employs a holistic model of learning will also be a place where teachers grow, and are empowered by the process. That empowerment cannot happen if we refuse to be vulnerable while encouraging students to take risks. Professors who expect students to share confessional narratives but who are themselves unwilling to share are exercising power in a manner that could be coercive … When professors bring narratives of their experiences into classroom discussions it eliminates the possibility that we can function as all-knowing, silent interrogators.” (hooks 1994, S. 21)

Diese Forderung gilt auch für Räume der außerschulischen politischen Bildung. Wissen ist nie objektiv, was bedeutet, dass Lehrende sowie Lernende nicht objektives Wissen vertreten, sondern subjektives Wissen. Dieses subjektive Wissen ist in gesellschaftspolitische Umstände eingebettet, von denen wir umgeben sind. Der gesellschaftspolitische Ist-Zustand und die daraus resultierenden Positionierungen der Anwesenden ist demnach immer Teil des Lernraums und sollte thematisiert werden (vgl. Kazeem-Kaminski 2016, S. 64).

Für mich als Trainerin ist emanzipatorische Bildungsarbeit das Ziel von macht- und diskriminierungskritischen Lernprozessen. Eine Zentralisierung von Machtkritik in der politischen Bildungsarbeit ist Voraussetzung für das Erreichen eines emanzipatorischen Ist-Zustands – nicht nur in Lernräumen.

Foto: Brett Jordan/unsplash

Emanzipatorische Bildungsarbeit ist für mich eine Art Leitbild, an dem ich mich in meiner Praxis als Schwarze Trainerin und Referentin orientiere. Ich möchte emanzipatorische Räume durch politische Bildungsarbeit mitgestalten, in der multiple Lebensrealitäten präsent sind, anerkannt werden und alle Beteiligten gemeinsam miteinander und voneinander lernen können. Emanzipatorische Räume, in denen auch ich als Trainerin mitlernen kann und nicht als außenstehendes Individuum nur Besucherin und Lehrende sondern auch Beteiligte und Lernende bin. Ich verstehe meine Hauptaufgabe als Trainerin, die Tür zum Lernraum zu öffnen. Die Teilnehmenden sind jedoch diejenigen, die den Raum füllen und mitgestalten. Diskriminierungskritische Bildungsarbeit bedeutet auch, die Rolle von Teilnehmenden als Mitgestaltende anzuerkennen und wertzuschätzen.

„Early on, it was Freire’s insistence that education could be the practice of freedom that encouraged me to create strategies for what he called ‚conscientization’ in the classroom. Translating that term to critical awareness and engagement, I entered the classrooms with the conviction that it was crucial for me and every other student to be an active participant, not a passive consumer.” (hooks 1994, S. 14)

Leider sind meine Erfahrungen mit weißen Bildungsorganisationen oft das Gegenteil. Als Schwarze Trainerin diskriminierungskritische Workshops durchzuführen, fühlt sich oft wie Überzeugungsarbeit anstatt Bildungsarbeit an. Dies drückt sich zum Beispiel durch das Warten auf den „aha-Moment“ der Teilnehmenden während des gesamten Workshops oder Seminars aus. Dieser Moment ist für viele weiße Teilnehmenden ein Kriterium für ein gutes Feedback und weist auf den Konsumcharakter politischer Bildungsangebote hin. Er drückt sich außerdem oft durch die Erwartung an die rassifizierten Teilnehmenden und Trainer*innen von ihren Rassismuserfahrungen zu berichten, aus. Die Balance zwischen der Anerkennung persönlicher Erfahrungen als Form von Wissen und der Herausforderung, rassifizierte Subjekte und ihre Erfahrungen nicht als Lernobjekte zu behandeln, kann sich in solchen Fällen schnell zu einem Widerspruch entwickeln.

Politische Bildungsarbeit, die Macht und Diskriminierung thematisiert, wird gesellschaftlich zunehmend nicht als Prozess, der Wiederholungen und Fortsetzungen für weitere Reflexion und nachhaltigen gesellschaftlichen Wandel fordert, behandelt. Workshops zu Diskriminierungskritik werden u. a. durch die Kommodifizierung von „Diversity“ – mittlerweile fester, institutionalisierter Bestandteil von Unternehmen und Organisationen im Rahmen von regelmäßigen Workshops etc. – zunehmend depolitisiert und als „Pflichtprogramm“ in Bildungsinstitutionen, Organisationen und Unternehmen deklariert. Unter welchen Umständen finden jedoch diese Angebote statt? Wer führt die Einheiten durch? Für wen genau sind sie ausgerichtet und warum? Mein Arbeitsalltag als Referentin für politische Bildung und Trainerin besteht oft aus dem Abarbeiten kurzfristiger Anfragen für Workshops, die nicht länger als einen halben Tag gehen sollen. Gleichzeitig wird erwartet, alle Themen rund um Diskriminierung abzudecken. Was hier oft vergessen wird: Diskriminierungskritische Bildungsarbeit kann keine Wunder bewirken und innerhalb eines Tages Strukturen ändern. Sie kann nicht durch einen einmaligen, kurzen Besuch der Institution stattfinden. Sie benötigt viel Zeit, Raum und finanzielle und personelle Ressourcen. Dass in Deutschland Tatsachen wie institutionelle und strukturelle Diskriminierung noch diskutiert werden müssen, erschwert die Arbeit diskriminierungskritischer Trainer*innen zusätzlich.

Diskriminierungskritische Bildungsarbeit bedeutet auch, die Rolle von Teilnehmenden als Mitgestaltende anzuerkennen und wertzuschätzen.

Diskriminierungskritische Bildungsarbeit kann nur unter guten Arbeitsbedingungen geschehen. Die Inhalte, die diskriminierungskritische Bildungsarbeit behandelt, sind nicht nur abstrakte Theorie und Teil des jeweiligen Lernraums, sondern müssen praktisch, auch außerhalb des Lernraums, umsetzbar sein. Es müssen gute Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche, effektive diskriminierungskritische Bildungsarbeit geschaffen werden.

Das bedeutet auch, Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen von Trainer*innen und Teilnehmer*innen während Arbeitseinsätzen wahrzunehmen und als Veranstalter*innen zu verantworten:

  1. Wer fängt uns in unserer Arbeit und vor allem in den Aushandlungsprozessen in Workshops/Trainings/Seminaren auf? Die Aufmerksamkeit liegt oft auf den Lernerfahrungen weißer, heterosexueller, ableisierter Menschen. Auf wessen Kosten passieren sie aber? Was bedeutet es, wenn die Lernerfahrungen auf Kosten der rassifizierten Trainer*innen und Teilnehmenden passieren?
  2. Was bedeutet es für die Sicherheit und Gesundheit marginalisierter Trainer*innen, diskriminierungskritische Bildungsarbeit zu machen und dabei regelmäßig Mikro-Aggressionen, Abwehrreaktionen und weiteren Gewaltsituationen ausgesetzt zu sein und diese Reaktionen regelmäßig aufzufangen? Fühlen sich die veranstaltenden Bildungsinstitutionen verantwortlich dafür, Sicherheit während Arbeitseinsätzen zu gewährleisten?
  3. Sind Beschwerdewege für Bildungsakteur*innen bei Arbeitseinsätzen vorhanden? Gibt es safer spaces für marginalisierte Teilnehmende und Trainer*innen? Findet diskriminierungskritisches Veranstalten, zum Beispiel durch die Bereitstellung von Rückzugs-/Ruheräumen, Übersetzung/Gebärdensprache statt?

Diskriminierungskritische Bildungsarbeit bedeutet auch, gute materielle Arbeits- und Lernbedingungen zu schaffen:

  1. Ist für eine sichere An- und Abreise für marginalisierte Trainer*innen und Teilnehmenden gesorgt? Wurde an eine angemessene Verpflegung gedacht?
  2. Wie werden die Honorarsätze bestimmt? Sind sie einheitlich? Woran wird Expertise und Kompetenz gemessen? Werden Ausfallhonorare gezahlt? Wird ein in Vorkasse treten von Reise- und Verpflegungskosten erwartet?
  3. Ist Gesundheitsfürsorge, vor allem psychische Gesundheit ein Thema? Gibt es Supervisionsangebote?

Beispiele guter Praxis

Im Folgenden skizziere ich beispielhaft Praktiken diskriminierungskritischer, beziehungsweise emanzipatorischer Bildungsarbeit. Die hier genannten Beispiele sind nur ein kleiner Abriss von diskriminierungskritischer Bildungsarbeit in Deutschland. Der Text hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Während Orte politischer Bildung in Deutschland von der Dominanzgesellschaft auf bestimmte etablierte Institutionen beschränkt werden, stelle ich hier eine andere Realität vor. Diese Realität ist geprägt von Orten in denen durch Schwarze, Afrikanische, Afrodiasporische und weitere migrantische Graswurzelbewegungen alltägliche intergenerationale Lernbegegnungen entstehen. Orte, in denen voneinander und miteinander gelernt wird, sei es in Form von Lesekreisen, Gesprächsrunden, story telling, Kunst, Musik, Workshops, Trainings und so viel mehr.

Diskriminierungskritische Bildungsarbeit kann keine Wunder bewirken und innerhalb eines Tages Strukturen ändern. Sie kann nicht durch einen einmaligen, kurzen Besuch der Institution stattfinden. Sie benötigt viel Zeit, Raum und finanzielle und personelle Ressourcen.

Zu Schwarzen Akteur*innen der emanzipatorischen Bildungsarbeit gehört zum Beispiel das Schwarze Referentinnenkollektiv karfi, das seit 2012 Workshops und Vorträge zu Empowerment für Schwarze Menschen und Menschen of Color, sowie Kritisches Weißsein und diskriminierungskritische Organisationsentwicklung für die weiße Mehrheitsgesellschaft anbietet. Das Kollektiv setzt bei institutionellen Anfragen für Workshops zu Kritischem Weißsein voraus, auch einen Empowermentworkshop für nicht-weiße Angehörigen der Institution anzubieten. Dadurch macht das Kollektiv auf die Notwendigkeit von Empowermenträumen aufmerksam und erkennt die Präsenz von nicht-weißen Personen in der jeweiligen Institution (z. B. Schule, Universität oder Verwaltung) an. Mehr Informationen zu karfi unter: https://decolonizeorientierungsrahmen.files.wordpress.com/2015/12/karfi_workshops-seminare-beratung-2016.pdf (Zugriff auf diesen und die weiteren in diesem Beitrag genannten Links: 28.09.2021)

Phoenix e. V. (www.phoenix-ev.org), gegründet vom Schwarzen Deutschen Pfarrer und Aktivisten Austin Peter Brandt, ist ein Verein der Anti-Rassismus und Empowerment Trainings anbietet und dessen Geschichte bereits vor ihrer Gründung in den 1980er Jahren beginnt, als erstmalig Antidiskriminierungstrainings – konzipiert und durchgeführt von Schwarzen Trainer*innen – in Deutschland stattgefunden haben. Diese Geschichte lokalisiert diskriminierungskritische Bildungsarbeit in eine Schwarze widerständige Tradition, dessen Ziel gesellschaftspolitische Transformation ist. Sie betont die historische Bedeutung von Bildung für soziale, revolutionäre Bewegungen, wie u. a. bei der Black Panther Party für Self-Defence im Zuge der Black Power Bewegung der 1960er Jahren in den USA, dem südafrikanischen Anti-Apartheid Black Consciousness Movement und den gegenwärtigen Studierendenbewegungen in Südafrika (#RhodesMustFall & #FeesMustFall). Bei all diesen Bewegungen spielte politische Bildung eine zentrale Rolle und war Gegenstand ihrer politischen Forderungen, Aktionen und Visionen.

i-PÄD (Initiative intersektionale Pädagogik) (www.i-paed-berlin.de), gegründet im Jahr 2011, arbeitet mit Kindern, Jugendlichen und Lehrer*innen, Erzieher*innen und Pädagog*innen im Rahmen von Workshops zur Anerkennung der Komplexität von Identitäten in der Pädagogik. Das unterschiedlich positionierte Team fokussiert sich inhaltlich auf Verschränkungen und die Gleichzeitigkeit verschiedener Identitätsmerkmale und Diskriminierungsformen (z. B. Geschlecht, sexuelle Orientierung, sozialer Status und das Alter).

Der Berliner Verein für machtkritische Bildungsarbeit und Beratung glokal e. V. (www.glokal.org) arbeitet vor allem zu globaler und lokaler Ungleichheit, welche koloniale Kontinuitäten in Nord-Süd-Beziehungen verstärken. Er bietet Beratungen, Bildungsformate und Fortbildungen für Organisationen, Multiplikator*innen, Lehrer*innen, Jugendgruppen und Schulklassen an.

Die EOTO-Bibliothek als Ort des Lernens und der Begegnung Foto: EOTO e. V.

Zu guter Letzt stelle ich anhand meiner dortigen aktuellen Arbeit als Referentin für politische Bildung Each One Teach One (EOTO) e. V. vor (www.eoto-archiv.de). EOTO ist ein Community-basiertes Bildungs- und Empowerment-Projekt in Berlin. Im Jahr 2012 gegründet, eröffnete der Verein im März 2014 als Kiez-Bibliothek seine Türen und ist seither ein Ort des Lernens und der Begegnung. EOTO e. V. setzt sich gemeinsam mit anderen Organisationen für die Interessen Schwarzer, afrikanischer und afrodiasporischer Menschen in Deutschland und Europa ein.

Das Herzstück des Vereins ist die kiezbasierte Jugendarbeit und die Bibliothek mit einem Archiv, welches aus jahrhundertealter Schwarzer Deutscher Geschichte besteht. Seit Anfang 2020 ist EOTO Teil des Kompetenznetzwerks Anti-Schwarzer Rassismus (KomPAD) Mitte 2021 wurde das Kompetenzzentrum zu einem Kompetenznetzwerk, gemeinsam mit der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland e. V. und dem Zentralrat der afrikanischen Gemeinde in Deutschland e. V. im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“. Im Rahmen des Projektes beschäftigen wir uns als Bildungsreferat intensiv mit Fragen rund um diskriminierungskritische Bildungsarbeit mit einem Fokus auf Rassismuskritik und Empowerment. Aus Schwarzen, afrikanischen und afrodiasporischen Perspektiven versuchen wir Bildungsformate zu entwickeln und Beratungen durchzuführen, die zum einen Anti-Schwarzen Rassismus thematisieren, aufdecken und entgegenwirken und zum anderen empowernde Momente und Prozesse für unsere Communities schaffen sollen. Beide Fokusse sind wichtig, um den rassistischen Status Quo herauszufordern und zu bekämpfen.

Bereits die verwobene Widerstandsgeschichte Schwarzer Menschen in der Diaspora und auf dem afrikanischen Kontinent zeigt, dass Bildung stets eine bedeutende Rolle in unseren Communities gespielt hat. Darauf bezieht sich auch der Name unseres Vereins, Each One, Teach One. Er entstand im Zuge Schwarzer antirassistischer Widerstandsbewegungen und verweist auf den Mangel an Zugängen zu formaler Bildung in der Zeit der Versklavung und des Kolonialismus und die Notwendigkeit, Wissen innerhalb Schwarzer Gemeinschaften und Familien weiterzugeben, als dieses durch schwerste Strafen, oftmals sogar durch die Todesstrafe, sanktioniert wurde. Der Leitsatz steht für den jahrhundertealten Widerstand unterdrückter Schwarzer Menschen in den Amerikas, Afrika und Europa und verdeutlicht, dass Bildung als emanzipatorisches und Community-bildendes Tool genutzt werden kann und sollte.

Anti-Schwarzer Rassismus ist ein globales Machtsystem, von dem auch die gesamte deutsche Gesellschaft entweder betroffen ist oder davon profitiert. Deshalb ist es wichtig, machtkritische Perspektiven von Schwarzen Menschen in der politischen Bildungsarbeit zu berücksichtigen.

Im Rahmen meiner Arbeit bei EOTO habe ich die Black Empowerment Academy (gefördert von der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb), eine erstmalige bundesweite Fortbildungsreihe für Schwarze Multiplikator*innen der politischen Bildungsarbeit, konzipiert. Die Academy hat sowohl eine bundesweite Vernetzung als auch die Schaffung gemeinsamer Austausch-, Dialog- und Lernräume zum Ziel. Neben Inhalten wie Kolonialismus, Migration und Flucht, Intersektionalität und Empowerment, geht es auch um Methoden und das Reflektieren der eigenen Rolle als Schwarze*r Multiplikator*in. Durch das gemeinsame Aneignen, Produzieren und Zirkulieren von Wissen können sich die Teilnehmenden selbst ermächtigen. Indem sich die Black Empowerment Academy Themen widmet, die im deutschen Bildungssystem und der politischen Erwachsenenbildung bisher wenig bis keinen Platz finden, weist sie auf diese eklatanten Leerstellen hin und betont so ihre gesellschaftspolitische Relevanz. Politische Bildung kann und darf nicht ohne rassismuskritische Perspektiven stattfinden. Anti-Schwarzer Rassismus ist ein globales Machtsystem, von dem auch die gesamte deutsche Gesellschaft entweder betroffen ist oder davon profitiert. Deshalb ist es wichtig, machtkritische Perspektiven von Schwarzen Menschen in der politischen Bildungsarbeit zu berücksichtigen. Die Black Empowerment Academy betont außerdem die Notwendigkeit von safer spaces für Schwarze, aber auch weitere marginalisierte Menschengruppen. Solche Lernräume sind wichtig, um Teilnehmenden die Möglichkeit zu geben, gemeinsam historische und gegenwärtige Geschehnisse einordnen zu können und Strategien im Umgang damit zu finden. Entgegen der Mainstream-Auffassung, dass erst seit den Black Lives Matter Protesten im Sommer 2020 Empowermenträume relevant sind, ist es uns wichtig, die jahrhundertelange Kontinuität der Kämpfe um Schwarze Selbstermächtigung und Widerstand – auch in Deutschland – aufzuzeigen. Gegenwärtige transnationale antirassistische Bewegungen verstärken die Notwendigkeit, Empowerment-Räume für Schwarze Multiplikator*innen in Deutschland zu fördern.

Wie kann eine diskriminierungskritische Bildungsarbeit gelingen?

In meiner Arbeit, vor allem als Trainerin, orientiere ich mich an Grundfragen und Prinzipien, die ich gemeinsam mit Schwarzen Kolleg*innen versuche, kontinuierlich in Gesprächen und unserer Zusammenarbeit zu thematisieren:

  1. Ein historisches Bewusstsein für gesellschaftspolitische Verhältnisse ist notwendig, um diskriminierungskritische Bildungsarbeit machen zu können.
  2. Die Frage, wen ich als Trainerin im Lern- und Lehrraum (nicht) mitdenke, muss ich mir kontinuierlich stellen, um meine eigenen Leerstellen erkennen und reflektieren zu können.
  3. Aus welcher, beziehungsweise welchen Positionen handele und agiere ich? Politische Bildungsräume zu gestalten heißt auch, Haltung zu zeigen.
  4. Ich reflektiere kontinuierlich darüber, warum ich diese Arbeit mache, um mich auf das Wesentliche – das Erreichen gesellschaftspolitischer Transformation durch politische Bildungsarbeit – konzentrieren zu können.
  5. Ich versuche, regelmäßig an kollektiven Prozessen teilzunehmen und diese mitzugestalten, wissend, dass diskriminierungskritische, emanzipatorische Bildungsarbeit stets im Kollektiv und nicht als Individuum stattfinden kann.

Diese Punkte und Gedanken sind nicht als vollständig zu betrachten, sondern eher als eine sich kontinuierlich verändernde Bestandsaufnahme von Erfahrungen aus Lern- und Lehrräumen. Sie halten auch Inhalte aus kollegialen Austauschräumen mit weiteren Schwarzen Bildungsakteur*innen fest, in denen unsere Zweifel, Frustrationen, Motivationen, Hoffnungen und Visionen Platz finden können.

„I celebrate teaching that enables transgressions – a movement against and beyond boundaries. It is that movement which makes education the practice of freedom.” (hooks 1994, S. 20)

Zur Autorin

Makda Isak (M.A. Soziologie) ist in verschiedenen selbstorganisierten Kontexten als Schwarze Feministische Aktivistin und Bildnerin tätig. Thematische Schwerpunkte sind Rassismuskritik, Schwarze Feministische Theorie und Auseinandersetzungen mit Dekolonialität. Makda Isak arbeitet aktuell als Bildungsreferentin bei Each One Teach One, wo sie im Kompetenznetzwerk Rassismus gegen Schwarze Menschen (KomPAD) im Rahmen der Black Empowerment Academy an einer Fortbildungsreihe für Schwarze Multiplikator*innen der politischen Bildung arbeitet.
makda.isak@eoto-archiv.de

Literatur

hooks, bell (1994): Teaching to transgress. Education as the practice of freedom. New York: Routledge
Isak, Makda/Nsenga, Hanna Shavu (2015): Dann schaffen wir uns eigene Räume. Über die Un-Sichtbarkeit von Freiwilligen of Color im „weltwärts“-Programm. In: Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag: Bon voyage! Rassismuskritische Wege in der entwicklungspolitischen Bildungs- und Projektarbeit. Berlin: BER, S. 70–74
Kazeem-Kaminski, Belinda (2016): „Es wird dann radikal, wenn wir es schaffen, Theorie und Praxis zusammen zu bringen.“ Interview über emanzipatorische Bildungsarbeit, bell hooks und was es braucht um diskriminierende Strukturen in Bildungsinstitutionen aufzubrechen. In: quix – kollektiv für kritische bildungsarbeit: Willst Du mit mir gehen? Gender_Sexualitäten_Begehren in der Machtkritischen und Entwicklungspolitischen Bildungsarbeit. Wien: quix, S. 63–65