Außerschulische Bildung 4/2022

Bildungsarbeit in KZ-Gedenkstätten unter den Bedingungen von Globalisierungsprozessen

Eine empirische Studie der aktuellen, permanenten Bildungsangebote von KZ-Gedenkstätten in Deutschland

Angesichts der Globalisierungsprozesse stehen die Gedenkstätten in Deutschland vor Herausforderungen. Es stellt sich die Frage, wie eine historisch-politische Bildungsarbeit so gestaltet werden kann, dass die vielfältigen Zugänge, Perspektiven und Haltungen zu Geschichte, die sich zunehmend in einem transnationalen und -kulturellen Rahmen herausbilden, berücksichtigt werden. Der Beitrag beleuchtet, basierend auf einer empirischen Analyse der Webseiten, inwieweit die acht größten KZ-Gedenkstätten Ansätze aus der aktuellen Diskussion in ihre permanenten Bildungsangebote integriert haben. von Jessica Burmester-Kock

Die Globalisierung, verstanden als „multidirektionale(r) Prozess“ mit „ökonomischen, politischen, sozialen und kulturellen Auswirkungen“ (Georgi 2019, S. 51), stellt die historisch-politische Bildungsarbeit an den KZ-Gedenkstätten in Deutschland aktuell vor Herausforderungen. So werden in einer zunehmend durch Diversität und von transnationaler und -kultureller Vernetzung gekennzeichneten Gesellschaft, die Zugänge, Perspektiven und Haltungen zu Geschichte vielfältiger und entkoppeln sich vom nationalstaatlichen Referenzrahmen (vgl. ebd.). Eine historisch-politische Bildung, die eine Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen mit einem nationalen und identitätsstiften Narrativ verknüpft, erscheint damit nicht mehr zeitgemäß. Welche Konsequenzen haben die KZ-Gedenkstätten, die als „Institutionen des kulturellen Gedächtnisses“ (Knoch 2020, S. 23) gelten können, aus diesen gesellschaftlichen und geschichtskulturellen Transformationsprozessen für ihre historisch-politische Bildungsarbeit vor Ort gezogen? Dieser Frage wurde im Rahmen einer empirischen Studie nachgegangen, deren Ergebnisse hier vorgestellt werden sollen.

Zum Aufbau der empirischen Studie

Analysiert wurden die Bildungsangebote der acht größten KZ-Gedenkstätten in Deutschland, die sich an den historischen Orten befinden, an denen die SS große Konzentrationslager errichtet hatte. Es handelt sich um die Gedenkstätten Neuengamme, Bergen-Belsen, Buchenwald, Mittelbau-Dora, Sachsenhausen, Ravensbrück, Flossenbürg und Dachau (vgl. Lutz/Schulze 2017). Sie eint – neben dem Ortsbezug –, dass sie aktuell über eine professionalisierte pädagogische Abteilung verfügen. Als Datenbasis für die Analyse dienten die Webauftritte der Gedenkstätten bzw. die jeweiligen Unterseiten, auf denen die Gedenkstätten ihr permanentes pädagogisches Angebot darstellen. Temporäre Bildungsveranstaltungen, zeitlich begrenzte Bildungsprojekte und Bildungsmaterialien sind hier nicht einbezogen worden. Auch internationale Begegnungen, die in Kooperation mit Partnern der Gedenkstätte organisiert und durchgeführt werden, wurden nicht einbezogen. Die Analysedaten wurden am 19. Juli 2022 lokal gespeichert, in Textdateien umgewandelt und über das Programm MAXQDA mit Hilfe der strukturierenden-qualitativen Inhaltsanalyse nach Udo Kuckartz (2018) ausgewertet. Verweise auf die Analysedaten werden im Folgenden abgekürzt. Ein Beispiel dafür ist die Angabe „B-B_4.1., Pos. 2“. Die erste Angabe (hier „B-B“) verweist mit dem Anfangsbuchstaben des jeweiligen Ortes auf die zitierte Gedenkstätte (hier „Bergen-Belsen“). Die folgende Ziffernangabe (hier „1.4.“) verweist auf die Ebene der Seite und die Position, in der die Seite im Strukturbaum (von oben nach unten und von links nach rechts) angegeben wird (4 steht für die Seite „Bildung & Begegnung“ auf der ersten Ebene; 1 bedeutet, dass sich die Seite auf der ersten Position der zweiten Ebene befindet, das ist hier die Seite „Digitale Bildungsangebote“). Mit „Pos.“ und der nachfolgenden Ziffer wird auf die zitierte Absatznummer auf der analysierten Webseite verwiesen. Wird an dieser Stelle keine Angabe gemacht, bezieht sich der Verweis auf die gesamte Seite.