Außerschulische Bildung 4/2020

Corona-Politik der Parteien

Die deutsche Parteiendemokratie in Bewegung

Parteien sind ein Abbild der Gesellschaft und damit wandlungsfähig, was sich nicht zuletzt in der Corona-Politik zeigt. Auch wenn immer wieder vom Niedergang der Volksparteien die Rede ist, erweist sich das System doch als robust und belastbar. Seine resiliente Kernkompetenz besteht darin, divergierende Interessen auszugleichen. In diesem Beitrag werden die aktuelle Situation der Parteiendemokratie sowie die derzeitigen Konfliktlinien – auch angesichts der Corona-Pandemie – in den Blick genommen.  von Karl-Rudolf Korte

Parteien als Abbild der Gesellschaft

Parteien sind ein Abbild der Gesellschaft. Sie verbinden den Staat mit der Gesellschaft (vgl. Katz/Mair 1995). Sie agieren als Problemlösungsagenturen. Sie sichern transparent organisiert die Ordnung der Freiheit. Sie tragen dazu bei – politisch legitimiert – Entscheidungen herbeizuführen, um Probleme abzuarbeiten. Rund zwei Prozent der Bevölkerung sind in Deutschland Parteimitglieder. Sie arbeiten stellvertretend für alle anderen Bürger*innen, die nicht parteipolitisch engagiert sind. Politische Willensbildung kann mit moderner Beteiligungsarchitektur und volatilem Engagement aber auch ohne Parteien zum Ausdruck kommen. Politisch legitimierte Entscheidungen bedürfen allerdings des Vollzugs von gewählten Repräsentanten, die sich in aller Regel über Parteimitgliedschaft rekrutieren lassen. Zur politischen Rationalität des Politikers/der Politikerin gehört es zudem, ein Problem so zu lösen, dass das Ergebnis möglichst eine Wiederwahl fördert.

Parteien sind auch Machterwerbsorganisationen, denn sie verteilen Macht auf Zeit. Sie fördern Patronagen als Führungsauslese, weil sie systematisch Amtsträger*innen vermitteln. Darüber hinaus sind sie aber auch immer Lebensstil-Bastionen, Gesinnungsgemeinschaften und Rechthaber-Vereinigungen, die für moderne politische Willensbildung in einer freiheitlichen Demokratie unverzichtbar sind. In ihnen werden idealtypisch unterschiedliche Interessen gemanagt und für Entscheidungen gebündelt. Parteien sind nicht nur stets lernend unterwegs, um Mehrheiten zu organisieren und auf dem Wählermarkt zu mobilisieren. Sie ändern sich auch in ihrer Zusammensetzung, etwa in Bezug auf ihre Mitgliedschaften oder hinsichtlich der Strukturierung der internen Willensbildungsprozesse. Mehrdimensional gehen sie repräsentierend und regierend dabei vor: „Parteien erfüllen ihre generelle demokratische Funktion vor allem dadurch, dass sie die elektorale sowie die legislative und dann auch die exekutive Agenda ganz systematisch miteinander in Verbindung setzen, indem sie im Wahlkampf mit ihrem politischen Programm mobilisieren und dieses Programm im Erfolgsfall als parlamentarische Mehrheit bzw. als Regierung umsetzen, um mit Verweis auf diese Umsetzung (…) sowie auf das zukünftige Handlungsprogramm der Partei (…) im nächsten Wahlkampf erneut zu mobilisieren.“ (Manow 2020, S. 60) Durch die Option der prinzipiellen Abwahl sind dabei demokratische Responsivität und eine Verantwortlichkeit des Exekutivhandels systemisch gesichert.