Außerschulische Bildung 2/2022

Demokratie als Vision

Inspirationen für eine Demokratie der Zukunft

Das Modell der repräsentativen Demokratie ist in der Krise. Die Bürger*innen sind zunehmend unzufrieden und fühlen sich kaum mehr vertreten. Dieser Beitrag will inspirieren und ermutigen, über Demokratie neu nachzudenken. Er zeichnet beispielhaft eine Vision für eine partizipative Zukunft, die auch für die konkrete Bildungsarbeit genutzt werden kann. von Brigitte Geißel

Probleme aktueller Demokratien

Der Theorie der repräsentativen Demokratie zufolge ist die „Herrschaft des Volkes“ dann gewährleistet, wenn freie, gleiche und geheime Wahlen stattfinden. Dabei müssen mindestens zwei Parteien existieren, damit die Bürger*innen die Partei wählen können, die ihren Vorlieben und Interessen am besten entspricht. Die gewählten Vertreter*innen treffen Entscheidungen im Namen der Bürger*innen. Auch wenn die Entscheidungsfindung fest in den Händen der Politiker*innen liegt, haben die Bürger*innen die Kontrolle. Dieses Modell erscheint theoretisch einleuchtend.

Aber real existierende repräsentative Demokratien funktionieren nicht unbedingt nach dieser Logik. Und sie sind zunehmend veraltet. Das Modell der auf Wahlen beruhenden, partei-basierten, repräsentativen Demokratie wurde im 19. und 20. Jahrhundert entwickelt. Es war angemessen für die damalige Struktur der meisten Gesellschaften. Diese waren entlang klar umrissener sogenannter Cleavages in Gruppen gespalten, die jeweils gemeinsame Interessen teilten, z. B. Arbeiter*innen versus Unternehmer*innen. Aus diesen Gruppen gingen Parteien hervor, die als Sprachrohr fungierten und die spezifischen und eindeutigen Interessen ihrer jeweiligen Gruppen vertraten. Beispielsweise trat die Arbeiter*innenpartei für bessere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen sowie für eine arbeiterfreundliche Sozialpolitik ein; die Partei der Unternehmer*innen setzte sich für mehr Rechte von Arbeitgebern, weniger Schutz der Arbeitnehmer*innen und eine sparsame Sozialpolitik ein.