Außerschulische Bildung 4/2023

Der homo oeconomicus ist keine alleinerziehende Mutter

Wie die Thematisierung von Care-Arbeit zu einer geschlechtergerechten Erweiterung des Wirtschaftsverständnisses und einer gender-sensiblen politischen Bildung führt

In diesem Beitrag werden Beispiele aus der politischen Bildung in Bezug auf Wirtschaft, Care-Arbeit und Klimakrise vorgestellt. Sie zeigen die Wichtigkeit einer geschlechtergerechten Auseinandersetzung mit diesen Themen für die politisch-ökonomische Bildung und darüber hinaus. von Feline Tecklenburg

„Auf dem Podium war auch ein Vertreter der Wirtschaft eingeladen.“ – Wenn Sie diese Worte lesen: Sehen Sie vor Ihrem inneren Auge gerade einen weißen Mann in Anzug und Krawatte, der neben anderen Teilnehmer*innen selbstbewusst auf einem Podium sitzt? Der Satz stammt aus einem Zeitungsartikel und löst in den meisten Fällen diese Assoziation aus: Wirtschaft – Mann – Anzug.

Für die Kognitionswissenschaften ist der Akt dieser Zuordnungen selbstverständlich. Sie beforschen unter anderem, wie ein Mensch Sprache begreift und wie sich Sprache auf das Denken und Handeln auswirkt. Um gehörte oder gelesene Worte zu begreifen, simuliert das Gehirn sie anhand von Assoziationen und schreibt ihnen eine Bedeutung zu. Sprache hat einen immensen Einfluss auf die menschliche Wahrnehmung. Wann immer das menschliche Gehirn Worte und Ideen verarbeitet, aktiviert es dazu Wissen und Sinnzusammenhänge aus vorangegangenen Erfahrungen mit der Welt (vgl. Wehling 2016, S. 20 f.). Das ist eine der Ursachen, weshalb es vielen Menschen zunächst schwerfällt, ihr eigenes Verhalten in Bezug auf Diskriminierungen anderen Menschen gegenüber zu verändern. Die Bilder, die als erstes vor dem inneren Auge auftauchen, stammen aus vorangegangenen Wahrnehmungen der Welt – einer Welt, die rassistisch, homophob, sexistisch und patriarchal geprägt ist, um nur einige Stichworte zu nennen, die heute von Diskriminierung betroffenen Personen das Leben schwermachen.

Um ein Bewusstsein für Diskriminierungen in Bezug auf Gender zu schaffen und Ungleichheiten aufzulösen, braucht es ein Problembewusstsein bei Bildungs-Akteur*innen dafür, dass die eigenen Assoziationen von einer diskriminierenden Welt geprägt sind, selbstverständlich auch im Bereich der politischen Bildung. Ohne das Wissen um die eigene Prägung und die Bereitschaft, kritisch zu denken, kann in der politischen Bildung vieles übersehen und vergessen werden. „Demokratie heißt auch, Werte sprachlich zu begreifen und sprachlich umzusetzen“, sagt die Kognitionswissenschaftlerin Elisabeth Wehling (2016, S. 191). Eine demokratisch agierende politische Bildung tut gut daran, ihre jeweiligen Themengebiete auf Leerstellen im Bereich von Gender und Diversity abzuklopfen. Dieser Artikel möchte für den Bereich der ökonomischen Bildung einen Beitrag leisten.