Außerschulische Bildung 4/2023

Der Körper als Politikum

Praxis der politischen Bildung zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt

Die Jugendbildungsstätte von HochDrei e. V. – Bilden und Begegnen in Brandenburg arbeitet im Rahmen des Programms „Politische Jugendbildung im AdB“ (2023–2028) in der Fachgruppe zum Themenschwerpunkt „Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt“ mit. Die dafür zugrundeliegende Projektidee umfasst die modellhafte Erprobung und Etablierung von Bildungskonzepten zum Aspekt „Körper als Politikum in der Gesellschaft – politische Bildung aus körperbezogener Perspektive“. Aus dieser Arbeit wird im Folgenden berichtet und eine konkrete Methode vorgestellt. von Tanja Berger

Aus unserer umfassenden Erfahrung in der gendersensiblen Bildung wissen wir, dass der Körper unmittelbar mit der Lebenswirklichkeit von Jugendlichen und ihrer geschlechtlichen und sexuellen Emanzipation verbunden ist. Daher werden in den kommenden sechs Jahren im Programm „Politische Jugendbildung im AdB“ die vielfältigen Themen der politischen Bildung im Bereich sexuelle und geschlechtliche Vielfalt konsequent aus körperlicher Perspektive bearbeitet.

Patriarchale Strukturen und heteronormative Wertvorstellungen beeinflussen das äußere Erscheinungsbild von Menschen und daran orientierte Lebensentwürfe. Wer von dieser Norm abweicht, rückt in den Fokus. Dass der Körper dabei leicht zu einer Projektionsfläche von diskriminierenden Zuschreibungen und so auch zum Marker von Teilhabe und Ausgrenzungen wird, zeigt sich z. B. in trans- und queerfeindlichen Debatten, wie etwa jüngst um die Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer (vgl. Gerner 2022).

Durch den Blick der Anderen werden wir (an)erkannt. Unsere Körper werden gelesen, zum Beispiel als „weiblich“, „männlich“, „arm“, „reich“, „migrantisch“, „jung“ oder „alt“. Und auch wir selbst lesen uns und das Gegenüber nach solchen Zuschreibungen. Das passiert meist, ohne dass wir uns dem widersetzen können. So werden unsere Körper unweigerlich politisch. Konstruktionsprozesse von Geschlecht und Sexualität sind dabei eng mit sozialen, inter- und transkulturellen Aushandlungsprozessen verwoben (vgl. Bütow/Kahl/Stach 2013, S. 9). Die Vorstellungen davon, was Geschlecht ausmacht und wie es nach außen gelebt wird, unterscheiden sich dabei. Gemeinsam ist ihnen, dass ihnen durch körperliche Erscheinung Ausdruck verliehen wird. Vor allem Menschen während der Pubertät suchen ein Wohl- und Zuhause-Fühlen im eigenen Körper und mit dem eigenen Geschlecht. Fragen, die Jugendliche beschäftigen, sind: Wer bin ich? Wo gehöre ich hin? Welche Identitäten kann und möchte ich leben? Was ist für mich „normal“, was hinterfrage ich und wogegen muss ich mich abgrenzen?