Außerschulische Bildung 4/2022

Erinnerungskultur digital

Was ändert sich für die historisch-politische Bildung?

Digitale Erinnerungskultur – was bedeutet das? Es existiert inzwischen eine nicht mehr zu überblickende Vielfalt an digitalen Beiträgen, die sich dem Nationalsozialismus und dem Holocaust widmen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie sich die Kultur der Erinnerung an Nationalsozialismus und Holocaust verändert. Wie wird in Zukunft erinnert werden? Die Frage nach der Zukunft der Erinnerung ist also eng mit den Entwicklungen verbunden, die die Digitalisierung aller Lebensbereiche mit sich bringt. von Verena Haug und Veronika Nahm

Digitale Erinnerungskultur – Erweiterung des Möglichkeitsraums?

Digitale Erinnerungskultur, das klingt nach Zukunft, nach Transformation, nach neuen Medien. Es existiert inzwischen eine nicht mehr zu überblickende Vielfalt an digitalen Beiträgen, die sich dem Nationalsozialismus und dem Holocaust widmen. Von themenbezogenen Websites über Stolpersteinrundgänge per App, Instagram-Projekten wie Eva Stories oder @ichbinsophiescholl, YouTube Videos und Videospielen bis hin zu einschlägigen Postings in Sozialen Netzwerken findet sich im digitalen Raum alles. Digitale Spiele sind in den letzten Jahren zum Massenphänomen geworden und prägen unsere Wirklichkeit und unsere Vorstellung von Geschichte zunehmend. Wenn digitale Spiele den Nationalsozialismus als thematischen Hintergrund nutzen, beeinflussen sie die Geschichtsvorstellungen Jugendlicher. Dabei sind die angebotenen Geschichtsbilder mitunter problematisch: Wehrmachtsverbrechen werden ausgespart, der Krieg wird als Abenteuer dargestellt oder die Shoah schlichtweg nicht thematisiert. Vgl. die geschichtsdidaktischen Einordnungen von Videospielen auf dem YouTube Kanal „Geschichtsdidaktik und Politikdidaktik digital“ des GameLab der Geschichtsdidaktik an der Universität Wien: www.youtube.com/channel/UCSrbCE8mNWbRJw0zO7xwwGQ (Zugriff für diesen und alle weiteren in diesem Beitrag genannten Links: 19.09.2022).

Die Frage, wie sich die Kultur der Erinnerung an Nationalsozialismus und Holocaust verändert und weiter verändern wird, zielt einerseits darauf, welche neuen Medien und technischen Funktionen zukünftig Erinnerung bewahren werden: So folgte auf die großen Videoarchive mit Zeitzeugenberichten die Idee der Entwicklung von technisch aufwändigen digitalen Zeitzeug*innen Vgl. das Projekt „Dimensions in Testimony“ der USC Shoah Foundation: https://sfi.usc.edu/dit, das Projekt „Volumetrisches Zeitzeugnis von Holocaustüberlebenden“ der Filmuniversität Babelsberg: www.filmuniversitaet.de/forschung-transfer/forschung/newsarchiv/artikel/detail/erinnerungen-fuer-morgen oder das Projekt „Lernen mit digitalen Zeugnissen“ der Ludwig-Maximilians-Universität München und des Leibniz-Rechenzentrum der Bayerischen Akademie der Wissenschaften: www.lediz.uni-muenchen.de/index.html. mit noch unbestimmtem Mehrwert (vgl. Gring 2021). Die Frage nach der Zukunft der Erinnerung sucht anderseits nach den Veränderungen, die die Digitalisierung aller Lebensbereiche auf die Erinnerungskultur hat und haben wird. In unserer hochtechnologisierten Welt ist das Smartphone Alltagsgegenstand. Mit der entsprechenden Hard- und Software ausgestattet ist es relativ einfach und kostengünstig, selbst kurze Videos oder Bildgeschichten zu produzieren und sie auf digitalen Plattformen zu veröffentlichen. Durch eine Verschlagwortung sind die Inhalte auffindbar und können von anderen kommentiert, erweitert und verlinkt, also in eigene Inhalte eingebunden werden.