Ein Escape Game zum Ersten Weltkrieg
In einem von der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb geförderten Projekt haben das aktuelle forum e. V. mit dem Waldritter e. V. ein mobiles Escape Game entwickelt. Escape Rooms sind momentan eine beliebte Art der Freizeitgestaltung, die von vielen Jugendlichen und Erwachsenen gespielt werden. Bei einem Escape Game betritt eine Kleingruppe zwischen 2 und 6 Personen einen eigens dafür erstellten Raum und muss verschiedene Rätsel lösen und Aufgaben bewältigen. Ziel ist es, den Schlüssel zum Ausgang zu finden oder ein großes Rätsel innerhalb des Raumes zu lösen. Manchmal geht es darum, einen Schatz zu bergen oder eine wichtige Information zu finden. In der Regel hat die Gruppe dafür nur maximal 60 Minuten Zeit. In Deutschland gibt es eine große Zahl solcher Escape Rooms. Da die Methode davon lebt, dass sich die Teilnehmenden innerhalb der vorgegebenen Zeit hochkonzentriert auf das Erlebnis einlassen, eignet sie sich auch, um Inhalte der politischen Bildung zu vermitteln. Genau dies haben bereits mehrere Bildungsträger erkannt.
Beispiel eines Escape Game zum Thema Erinnerungskultur
Beim Escape Game „Feldpost” handelt es sich um ein sehr kompaktes und damit schnell und einfach einsetzbares Escape Game zum Thema Erinnerungskultur, speziell zum Ersten Weltkrieg. Es bedarf keinerlei Vorbereitung und Aufbauzeit und kann mobil eingesetzt werden. Die Idee des Spiels ist es, dass sich die Teilnehmenden nach und nach Bruchstücke der Geschichte des ersten Weltkriegs anhand einer Liebesgeschichte von einem Soldaten und seiner zu Hause gebliebenen Freundin erschließen.
Die Teilnehmenden erhalten eine alte Holzkiste, ein altes Foto im Rahmen und den Nachruf auf einen verstorbenen Soldaten mit dem Hinweis, dass die Seminarleitung dies bei einer verstorbenen alten Dame auf dem Dachboden gefunden hat. Anschließend wird das Spiel von den Teilnehmenden gespielt.

Die Inhalte des Spiels sind reine Fiktion. Jedoch wird hierbei mit authentischem Material oder leicht abgewandelten Dokumenten gearbeitet. Der Nachruf beispielsweise ist der einer tatsächlichen Person – lediglich der Name wurde angepasst. Im Spiel selbst finden und erspielen sich die Teilnehmenden nach und nach verschiedene Briefe – Feldpost –, die ein deutscher Soldat im Ersten Weltkrieg an seine daheim gebliebene Geliebte schreibt. Die Briefe sind so aufgebaut, dass die Entwicklung des Krieges und die Gefühle der beteiligten Soldaten eine tragende Rolle spielen. Zunächst zieht der fiktive Soldat voller Freude und Tatendrang in den Krieg und hofft auf einen baldigen Sieg. Doch schon bald wird ihm klar, wie grausam Krieg eigentlich ist. Die Hoffnung auf ein schnelles Ende des Krieges schwindet dahin und am Ende weiß der Soldat schon gar nicht mehr, weshalb er sich überhaupt auf den Krieg eingelassen hat. Das Spiel endet damit, dass die Spielenden den letzten Brief finden und dort erfahren, dass der im Krieg gefallene Soldat seiner Geliebten einen Heiratsantrag macht.
Reflexion als unverzichtbarer Bestandteil der politischen Bildung
Anschließend werden die Teilnehmenden zu einer Reflexion eingeladen. Zunächst wird den Gefühlen Raum gegeben. Es werden vier Leitfragen zum Ersten Weltkrieg gestellt und schrittweise anhand des Materials sowie dem möglichen Vorwissen der Teilnehmenden beantwortet. Anhand der Feldpost-Briefe wird ein Zeitstrahl zum Ersten Weltkrieg aufgestellt, der sowohl örtlich als auch zeitlich die Geschehnisse, von denen in den Briefen berichtet wird, aufgreift und diese einordnet.
Der Vorteil der Methode des mobil einsetzbaren Escape Games ist vor allem, dass Teilnehmende durch den Erlebnis-Faktor angesprochen und so motiviert werden, sich mit einem Thema, welches für sie erst einmal in weiter Vergangenheit zu liegen scheint, auseinanderzusetzen.
Während die ersten drei Leitfragen vor allem dem Hintergrund- und Basiswissen über den Ersten Weltkrieg dienen, befasst sich die letzte Frage mit den noch heute spürbaren Folgen des Ersten Weltkriegs: Mögliche Erkenntnisse aus der Reflexion sind hierbei Auswirkungen auf postkoloniale Strukturen auf dem afrikanischen Kontinent, Grenzkontrollen auch in Europa und letztlich der Beginn des Zweiten Weltkriegs. Hinzu kommen eine Vielzahl von Todesopfern, Verwundete mit Spätfolgen, Hungersnöte, Armut und Zerstörung. So schrecklich der Erste Weltkrieg auch war, hat er doch einige positivere Dinge ins Rollen gebracht, wie die Versuche zum Aufbau eines Völkerbunds, der erst nach dem Zweiten Weltkrieg mit der UNO umgesetzt werden konnte. Auch die Gründung der Europäischen Union kann als eine Folge aus dem Ersten und schließlich auch aus dem Zweiten Weltkrieg betrachtet werden. Die offene Diskussion über die Folgen des Ersten Weltkriegs – auch über mögliche persönliche Folgen für die Teilnehmenden – bildet den Abschluss der Reflexion.
Der Vorteil der Methode des mobil einsetzbaren Escape Games ist vor allem, dass Teilnehmende durch den Erlebnis-Faktor angesprochen und so motiviert werden, sich mit einem Thema, welches für sie erst einmal in weiter Vergangenheit zu liegen scheint, auseinanderzusetzen. Das Spiel selbst ist während des ersten Corona-Lockdowns entstanden und wurde danach bereits mehrfach mit unterschiedlichen Teilnehmendengruppen erfolgreich eingesetzt.
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