Außerschulische Bildung 2/2023

Herausforderungen der multiplen Krise

Vom Wahrnehmen und Handeln in der (Klima)krise

Eine Krise zieht alle Aufmerksamkeit auf sich. Nur so ist es möglich, außergewöhnliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise zu ermöglichen – unter Umständen aber auf Kosten von Problemen in anderen Politikfeldern. Wie können politische Entscheidungsträger*innen lernen, mit multiplen und miteinander verbundenen Krisen umzugehen? Es ist notwendig, politische Prioritäten zu setzen, aber ebenso, Zusammenhänge zwischen Gesundheits-, Umwelt- und Sicherheitskrisen zu erkennen. Von entscheidender Bedeutung sind dabei wissenschaftliche Expertise und Politikberatung sowie die Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen. von Stefan Kroll

Zu Beginn eine kleine Zeitreise: Noch im Januar 2020 war ich fest davon überzeugt, dass das gerade angebrochene Jahr das Jahr der Klimakrise werden könnte, ja müsste. Die Überzeugung rührte daher, dass die öffentliche und die politische Aufmerksamkeit sich 2019 zunehmend auf die Bedrohungen durch den Klimawandel ausgerichtet hatte. Die Fridays for Future-Bewegung hatte große Aufmerksamkeit und Zuspruch erfahren. Für den Ausgang der Europawahl im Frühjahr war der Klimawandel ein wichtiges Thema. Das Europaparlament erklärte im Herbst den „Klimanotstand“ und der Begriff der „Klimahysterie“ wurde zum Unwort des Jahres bestimmt. Angetrieben durch die hierin zum Ausdruck kommenden gestiegenen gesellschaftlichen Erwartungen erwartete ich nun entschiedenere politische Entscheidungen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner existenzbedrohenden Folgen.

Doch es kam anders. Spätestens im März 2020 war klar, dass eine andere akute Krise die Aufmerksamkeit zunächst vollständig auf sich ziehen sollte. Die Corona-Pandemie erzeugte einen unmittelbaren Handlungsdruck, hinter dem andere Herausforderungen und Bedrohungen zurückstanden. Mehr noch, die notwendigen Kontakt- und Reisebeschränkungen führten dazu, dass bisherige Protestformen nicht fortgesetzt und wichtige Konferenzen, wie die UN-Klimakonferenz in Glasgow, zunächst verschoben wurden. Dass die gesunkenen Emissionen durch die Lockdown-Politik nur ein kurzfristiger Effekt sein würden, aus dem keine langfristige Transformation folgt, war auch zu erwarten.

Die Corona-Pandemie verdeutlichte einen Grundsatz des Konzepts von Krise eindringlich, nämlich den, dass die Krise alle Aufmerksamkeit auf sich zieht und bündelt. Dies ist zum einen notwendig, um außergewöhnliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise zu ermöglichen. Es hat aber auch den Nachteil, dass sich Probleme und Bedrohungen in anderen Politikfeldern verstärken können. Es zeigt sich daran, dass eine der größten Herausforderungen für das politische Entscheiden in der Gegenwart darin besteht, besser mit der Lage multipler und miteinander verbundener Krisen umzugehen zu lernen. Dies erfordert beides, politische Prioritäten zu setzen, aber auch Zusammenhänge zwischen Gesundheits-, Umwelt- und Sicherheitskrisen zu erkennen.