Außerschulische Bildung 3/2020

Statement Martin Jänicke

Herausforderungen für die Weltgemeinschaft in der Klimakrise

Die größte Herausforderung für die globale Klimapolitik ist dies: Seit der UN-Klima-Rahmenkonvention von 1992 hat sich diese Politik immer weiterentwickelt, immer breitere Resonanz gefunden und immer genauere Ziele formuliert. Aber die Klimagase (stellvertretend das CO2) sind weiter angestiegen. Paradoxerweise wird im Jahr 2020 die globale Corona-Krise erstmals zu einem Rückgang dieser Kurve führen.

Das ist nicht der einzige Zusammenhang zwischen diesen beiden globalen Krisen: Die Corona-Pandemie ist ja derzeit eine radikale Lehre für die Behandlung der globalen Klimakrise. Noch nie hat es so ein rasches globales Lernen über ein gemeinsames Problem und seine Lösung gegeben. Noch nie haben die Staaten der Welt ihre anfangs überforderte Handlungsfähigkeit so eindrucksvoll gesteigert. Noch nie hat die wissenschaftliche Basis dieses Handelns eine so unmittelbare Bedeutung und Anerkennung gehabt. Noch nie war es so deutlich, dass rasches, vorsorgliches Handeln langfristige Schadenseffekte vermeidet und viel billiger ist als die nachträgliche Schadensbeseitigung.

Das Besondere der Klimakrise ist nun aber, dass sie weniger unmittelbar ist; Ursache und Wirkung der Krise wie auch der Gegenmaßnahmen fallen zeitlich und räumlich auseinander. Gleichzeitig sind ihre langfristigen Folgen ungleich verheerender. Das macht entsprechende Problemlösungen schwieriger und zugleich noch dringender.

Hoffnung macht, dass bei der Klimakrise die „Arznei“ bekannt und verfügbar ist. Überdies bietet sie meist wirtschaftliche Vorteile. Das gilt für den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien, die in einem großen Teil der Welt konkurrenzlos billig geworden sind. Der notwendige aber schwierigere Ausstieg aus den erneuerbaren Energien hat bei der Kohle immerhin begonnen. Vor allem deshalb sind die weltweiten CO2 Emissionen im Jahre 2019 erstmals kaum noch angestiegen. In der EU wie auch in den USA ist die Kohle ein Auslaufprodukt. In China und Indien aber ist der Ausbau der Kohleverstromung, bedingt durch stark steigenden Stromverbrauch, ein zu lösendes Problem. In Europa müssen vor allem Verkehr und Gebäude „decarbonisiert“ werden. Wie gut das geht, kann man von den skandinavischen Ländern lernen. Sollte die EU hierbei Wettbewerbsprobleme bekommen (meist werden sie überschätzt), kann im Notfall die Handelspolitik helfen: Sie kann Importe aus Ländern, die den Klimaschutz vernachlässigen, mit einer Abgabe belasten (sog. border tax).

Angesichts des bisherigen Versagens der Klimapolitik gilt insgesamt: Es müssen neben den Langzeiteffekten dieser Politik verstärkt die möglichen Kurzzeiterfolge angegangen werden. Das gilt für den Abbau der Subventionen für fossile Energieträger (mehrere hundert Millionen weltweit) oder das Tempolimit auf deutschen Autobahnen ebenso wie die Reduzierung der Massentierhaltung. Wir haben gelernt, dass die Verlierer dieser Politik nicht vergessen werden dürfen. Entschädigungszahlungen, wo immer ein Land reich genug ist, sind möglich. Sie können auch der Umorientierung auf nachhaltiges Wirtschaften dienen.

Und natürlich müssen Hilfsmaßnahmen zur Lösung der ökonomischen Corona-Krise den Klimaschutz berücksichtigen. Im Zweifelsfall reicht das Geld für diese zwei gefährlichen Krisen nur aus, wenn sie gemeinsam gelöst werden. Viel Geld der reichen Länder wird nötig sein. Denn beide Krisen betreffen den ärmeren Teil der Welt.

Zum Autor

Professor Dr. Martin Jänicke (Jg. 1937) war Direktor des heutigen Forschungszentrums für Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin. Er war Abgeordneter, Politikberater und Mitglied wissenschaftlicher Einrichtungen wie der Deutschen UNESCO-Kommission oder des Sachverständigenrates für Umweltfragen.