Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt im Kontext feministischer Debatten
Das Projekt „Trans Murder Monitoring“ nimmt an, dass zwischen 2008 und 2020 weltweit mindestens 3.664 Morde an Trans*Personen verübt wurden (vgl. Fütty 2023, S. 306). Zwischen Oktober 2021 und September 2022 wurden global 327 Morde an trans* und gender-diversen Menschen gezählt. 95 % der Opfer waren Trans*Frauen oder trans*feminine Personen. In Deutschland wurde in diesem Zeitraum ein Mord verübt, in Frankreich zwei und in der Türkei vier Morde, die damit trauriger Spitzenreiter in Europa ist (vgl. TGEU 2022).
Studien zur Situation von geschlechterdiversen oder inter*Menschen im Arbeitsleben fehlen für Deutschland fast völlig (vgl. Fütty et al. 2020, S. 13). Dies lässt sich als eine Dimension der „institutionellen Unsichtbarmachung der Existenz von inter*, trans* und (anderen) abinären Menschen“ deuten (ebd., S. 25). Trans*Menschen berichten in qualitativen Studien über „alltägliche Benachteiligungen, Mobbing und Gewalt“ am Arbeitsplatz (vgl. ebd., S. 29). Laut einer Erhebung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte aus 2000 fühlen sich 47 % der Inter*Befragten und 45 % der Trans*Befragten bei der Jobsuche oder in der Beschäftigung diskriminiert (zit. in ebd., S. 30). Trotz überdurchschnittlicher Bildung gab in der qualitativen Interviewstudie „Out im Office?!” in den Jahren 2016/17 rund ein Viertel der Trans*Befragten ein monatliches Nettoeinkommen von unter 1.000 Euro an, in der Teilgruppe der nicht-binären Befragten waren es 40 % (vgl. Frohn/Meinhold/Schmidt 2017, S. 30; auch Steinsberger 2022). Diese wenigen Zahlen sind Ausweis für einen großen Gender Pay Gap und massive Diskriminierungen von gender-diversen Personen.
LGBTIQA*-Bewegungen kämpfen aufgrund dieser Situation in Deutschland seit langem dafür, gesetzlichen Anti-Diskriminierungsschutz zu gewähren und die Nicht-Binarität von Geschlecht anzuerkennen. Das nun vom Ampel-Kabinett auf den Weg gebrachte „Selbstbestimmungsgesetz“ soll Inter*, Trans* und allen nicht-binären Personen die Möglichkeit eröffnen, ihre Geschlechtsidentität so zu leben, wie sie sie empfinden, und es will ihnen dazu leichter machen, den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister zu ändern. Doch das Gesetz hat Mängel, da es weder einen nicht-diskriminierenden Zugang zu Gesundheitsversorgung noch gleichberechtigte Elternschaft ermöglicht (vgl. Becker 2023). Dennoch kann das Gesetz als ein weiterer Schritt betrachtet werden, um die Verletzungsoffenheit von und Gewalt gegen Inter, Trans und nicht-binäre Personen zu minimieren. Bereits die Veränderung des Personenstandsgesetzes im Jahr 2018, das ermöglichte, den Geschlechtseintrag offen zu lassen, das aber noch immer pathologisierte, stellte das seit dem 19. Jahrhundert kulturell und gesetzlich verankerte System der Zweigeschlechtlichkeit in Frage.