Außerschulische Bildung 2/2024

Kapitalismus am Limit

An den Grenzen einer Produktionsweise

Eine radikale sozial-ökologische Transformation stellt nicht nur die energetische Grundlage kapitalistischer Gesellschaften infrage, sondern auch deren kulturelle politische Ökonomie. Der Beitrag analysiert die Ursachen der sich verschärfenden Transformationskonflikte und argumentiert, dass sich die ökologischen Krisenphänomene unter den Vorzeichen des (neoliberalen) Kapitalismus nicht mehr bearbeiten lassen. von Ulrich Brand und Markus Wissen

Der Streit, der in Deutschland 2023 um das neue Gebäudeenergiegesetz ausgetragen wurde, ist ein Gradmesser dafür, wie umkämpft die sozial-ökologische Transformation ist. Er deutet zudem an, was an Transformationskonflikten künftig zu erwarten ist und welche Akteure und Interessen darin aufeinandertreffen: ökologische Modernisierer*innen, konservativ-liberale Apologet*innen des Status quo und reaktionäre Erdzerstörer*innen, die die Zukunft in der fossilen Vergangenheit zu sehen glauben. Die einzige Position, die zeitlich (im Hinblick auf künftige Generationen), räumlich (im Hinblick auf den globalen Süden) und sozial (im Hinblick auf Klassen- und Geschlechterverhältnisse sowie ein Ende rassistischer Diskriminierungen) verallgemeinerbar ist, bleibt marginal. Es ist die Position einer radikalen sozial-ökologischen Transformation, die nicht nur die energetische Grundlage kapitalistischer Gesellschaften infrage stellt, sondern auch deren kulturelle politische Ökonomie, die also für eine Gesellschaft streitet, in der die demokratisch und unter Berücksichtigung ökologischer Restriktionen auszuhandelnden Bedürfnisse aller statt die Partikularinteressen weniger im Vordergrund stehen. Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in: Luxemburg. Gesellschaftsanalyse und linke Praxis, Heft 2/2023 „Zeit der Monster“; https://zeitschrift-luxemburg.de/artikel/kapitalismus-am-limit

Dass es diese Position in den gegenwärtigen Auseinandersetzungen so schwer hat, ist auch der Komplexität der Krise geschuldet. Wir haben es nicht nur, wie in den großen Krisen zu Beginn der 1930er- und Mitte der 1970er-Jahre, mit dem möglichen Übergang von einer kapitalistischen Formation in die nächste zu tun, sondern auch mit einer fundamentalen Krise des Kapitalismus selbst und einer ökologischen Krise, die die Bedingungen menschlichen Lebens auf der Erde dauerhaft zum Schlechteren verändert.

Im Folgenden argumentieren wir, dass sich die geologischen und ökologischen Krisenphänomene unter den Vorzeichen des (neoliberalen) Kapitalismus nicht mehr bearbeiten lassen. Gleichzeitig kann Letzterer nicht einfach überwunden werden, weil er vermittelt über die imperiale Lebensweise tief in den gesellschaftlichen Orientierungen, Alltagspraktiken, sozialen Kräfteverhältnissen, Infrastrukturen und Institutionen verankert ist. Diese widersprüchliche Konstellation bildet den Hintergrund für die derzeit stattfindenden Transformationskonflikte.