Außerschulische Bildung 4/2020

Kommunal wählen gehen?!

Die Wirkung von Interventionen politischer Bildung auf die Kenntnisse, Einstellungen und Motivationen von Erstwähler*innen zu Kommunalwahlen

Wie können Jungwähler*innen erfolgreich für die Teilnahme an kommunalen Wahlen mobilisiert werden? Wie lassen sich ihre Kenntnisse und Einstellungen zur Kommunalpolitik sowie ihre kommunalpolitischen Motivationen wie Selbstwirksamkeitsüberzeugungen fördern? Der vorliegende Beitrag diskutiert diese Fragen am Beispiel der Erstwähler*innen-Kampagne der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg zur Kommunalwahl 2019. Er präsentiert empirische Ergebnisse einer Evaluationsstudie von kommunalpolitischen Lernangeboten in schulischen und außerschulischen Kontexten und diskutiert deren Implikationen für die politische Bildung zu Wahlen.  von Thomas Waldvogel, Monika Oberle und Johanna Leunig

Wie kann politische Bildung effektiv Erstwähler*innen zur aktiven Teilnahme an Kommunalwahlen befähigen und motivieren? Kommunales Wahlverhalten ist stark durch eine niedrige Wahlbeteiligung geprägt (vgl. Eith 1997; Gabriel 1997; Löffler/Rogg 2000; Nyhuis 2016). Gleichzeitig bieten Kommunalwahlen in vielen Bundesländern bereits Jugendlichen ab 16 Jahren die Möglichkeit der aktiven Wahlteilnahme – so auch seit 2014 in Baden-Württemberg. Die „Partei der Nichtwähler*innen“ war mit 41,3 % allerdings auch bei den Kommunalwahlen 2019 in Baden-Württemberg trotz einer merklichen Steigerung der Wahlbeteiligung um 9,6 Prozentpunkte erneut die stärkste Kraft. Unter kommunalen Nichtwähler*innen gilt besonders der Anteil junger Wahlberechtigter dabei als überdurchschnittlich hoch (vgl. Löffler/Rogg 2000). Ob dies Ausdruck einer abnehmenden Beteiligungsquote zwischen den Wahlalterskohorten oder vielmehr von Lebenszykluseffekten ist, ist empirisch umstritten (vgl. Cabarello 2014; Steinbrecher 2019). Normativ gilt eine Wahlbeteiligung jedoch als erstrebenswertes – wenngleich nicht erschöpfendes – Ziel politischer Bildung (zum Diskurs um Bürgerleitbilder vgl. z. B. Breit/Massing 2002), auch vor dem Hintergrund der zu erwartenden Prägekraft für die demokratische Sozialisation von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in dieser Lebensphase (vgl. Baumert et al. 2016; Esser/de Vreese 2007). Wie lassen sich Jungwähler*innen nun aber erfolgreich für die Teilnahme an kommunalen Wahlen gewinnen?

Der vorliegende Beitrag diskutiert diese Fragen am Beispiel der Erstwähler*innen-Kampagne 2019 der Landeszentrale für politische Bildung zur Kommunalwahl Baden-Württemberg und präsentiert empirische Ergebnisse einer Evaluationsstudie von kommunalpolitischen Lernangeboten in schulischen und außerschulischen Kontexten. Ein besonderer Dank gebührt an dieser Stelle allen Mitarbeiter*innen und Teamer*innen, die mit ihrem Engagement maßgeblich zum Gelingen der Kampagne und der begleitenden Evaluationsstudie beigetragen haben. Neben der insgesamt sehr guten Veranstaltungsbewertung durch die Jugendlichen zeigen wir erstens, dass die durchgeführten Interventionen positiv auf die kommunalpolitischen Einstellungen der Teilnehmenden wirken. Zweitens wird deutlich, dass die spielerischen Lernangebote die Wissensbestände zur Lokalpolitik substantiell verbessern. Drittens können wir eine signifikante Steigerung im politischen Effektivitätsgefühl der Jungwähler*innen nachzeichnen ebenso wie eine Erhöhung des kommunalpolitischen Interesses. Viertens beobachten wir einen signifikanten Anstieg der intendierten Wahlteilnahme unter denjenigen Jugendlichen, deren Wahlbeteiligungsabsicht im Vorfeld der Veranstaltung gering ausgeprägt war, was zur Verringerung bestehender Partizipationsgaps beiträgt. Diese Muster unterscheiden sich dabei, fünftens, zwischen den durchgeführten Formaten zugunsten von Veranstaltungen, die zeitlich kompakt konkrete Informationen und Handlungsweisen vermitteln. Sechstens zeigen wir, dass die erzielten Effekte auch über den Wahlzeitpunkt hinaus Bestand haben und erhalten damit Hinweise auf die nachhaltige Wirkung der Interventionen.

Der Artikel ist wie folgt strukturiert: Der nächste Abschnitt stellt die Ziele und unterschiedlichen Angebote der Erstwähler*innen-Kampagne kurz vor. Darauf folgt die Präsentation der begleitenden Evaluationsstudie zu spielerischen Lernangeboten in schulischen und außerschulischen Kontexten. Der Beitrag schließt mit einer Diskussion der Ergebnisse und der Implikationen für die politische Bildung.