Außerschulische Bildung 1/2024

Meinungsfreiheit und Protest – Wieviel Meinung braucht und wie viel Protest verträgt die Demokratie?

Ein Beitrag zur Debatte über die Wehrhaftigkeit und Lebendigkeit der Demokratie in Deutschland

Die Meinungsfreiheit garantiert jedem Menschen, die eigene Meinung frei zu äußern. Demokratien leben von Meinungsverschiedenheit. Ohne eine offene demokratische Debatte ist ein demokratischer Staat undenkbar. In Deutschland erleben wir einerseits eine medial proklamierte Spaltung der Gesellschaft, die u. a. vermeintlich durch zunehmende Proteste sichtbar gemacht wird, anderseits häufen sich die Aufrufe, mehr zu streiten. Bei beidem stellt sich die Frage nach den Voraussetzungen für eine lebendige und wehrhafte Demokratie. Wie viel Meinung braucht die Demokratie und wie viel Konflikt verträgt sie? Darauf versucht der Text erste Antworten zu geben und vor allem zur Debatte darüber anzuregen. von Nina-Kathrin Wienkoop

Meinungsfreiheit als konstitutives Recht von Demokratie

Als am 5. Januar 2024 Landwirt*innen eine Fähre im nordfriesischen Schlüttsiel belagerten, um den Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck daran zu hindern, an Land zu gehen, löste der Vorfall eine erneute Debatte über die Legitimität von Protesten und ihre Grenzen aus. Im Jahr zuvor begann diese diskursive Auseinandersetzung bereits, als Klimaaktivist*innen sich vermehrt auf Straßen klebten, um Aufmerksamkeit für ihre weiterhin wenig berücksichtigten Forderungen zum Schutz des Klimas zu bekommen. Aktuell werden beide Protestaufkommen miteinander verglichen und gefragt, welche Protestformen legitim sind und wie staatliche Reaktionen beurteilt werden. Das zunehmende Protestaufkommen und die vermehrte Berichterstattung über Proteste seit 2011 weltweit und auch in Deutschland ist seitdem Anlass, über den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu diskutieren. In den Medien wird regelmäßig gefragt, ob wir als Gesellschaft gespalten sind und sich Lager unvereinbar gegenüberstehen.

Dass wir als Gesellschaft öffentlich verhandeln, welche Formen des Widerspruchs und Widerstands gegen die eigene Regierung berechtigt sind, weist neben dem Versammlungsrecht auf ein zweites essentielles Grundrecht demokratischer Ordnung hin: der Meinungsfreiheit. Artikel 5 des Grundgesetztes der Bundesrepublik Deutschland garantiert mit folgendem Wortlaut die freie Meinungsäußerung ihrer Bürger*innen: