Außerschulische Bildung 1/2022

Nach den Wahlen

Analyse der neuen Gemengelage

Der Beitrag geht im ersten Teil auf einige Besonderheiten der Wahl zum 20. Bundestag ein, wie z. B. das Ausmaß der Personalisierung des Wahlkampfes oder die ungewöhnlich hohe Wechselwahlbereitschaft. Diese Besonderheiten werden voraussichtlich auch künftige Wahlen prägen. Im Mittelpunkt des zweiten Teils steht die Handlungsfähigkeit der neuen Bundesregierung. von Ursula Münch

Von den vielen Besonderheiten der Wahl zum 20. Bundestag standen mindestens zwei bereits im Vorfeld fest: die erste Bundestagswahl unter den Bedingungen einer Pandemie, aber ohne Wiederwahlabsicht der Amtsinhaberin. Andere Auffälligkeiten sind absehbare Folgen des Wahlergebnisses: Dass nur ein Dreierbündnis den Weg aus der ungeliebten „Groko“ bahnen könnte, war ebenso vorhersehbar wie der hohe Anteil der Briefwähler und -wählerinnen. Sie konfrontierten die Parteizentralen und deren Wahlkampfmanagement mit dem Problem, dass es nicht einen Wahltag gab, auf den man die Kampagne ausrichten konnte, sondern sie ihre Kampagnen auf einen langen Wahlkorridor von drei bis vier Wochen ausrichten mussten. Anderes überraschte aber dann doch: Erstens das Ausmaß der Personalisierung des Wahlkampfes, zweitens die wohl wahlentscheidende Wirkung der ungewöhnlich hohen Wechselwahlbereitschaft, drittens die Bedeutung demographischer Aspekte und viertens die Erkenntnis, dass anscheinend immer noch nicht zusammengewachsen ist, was seit dem 3. Oktober 1990 zusammengehört.

Mehr Personalisierung denn je

Das hohe Maß der Personalisierung sowohl des Wahlkampfs, der Wahlentscheidung als auch der Medienberichterstattung über den Bundestagswahlkampf (vgl. Römmele 2021, S. 134) hat seine Ursache nicht nur in der allgegenwärtigen „Verbildlichung“ unseres digitalen Lebensstils und dem höheren Unterhaltungswert von Personal- gegenüber Sachdebatten (vgl. Münch 2020, S. 546). Es ist außerdem auf nachlassende Parteibindungen der Wählerinnen und Wähler, die „Exekutivlastigkeit auch künftiger Krisen“ (Münch 2021) Zugriff für diesen und alle weiteren in diesem Beitrag genannten Links am 08.01.2022. sowie darauf zurückzuführen, dass Wahlen in Deutschland in der politischen Mitte gewonnen werden. Da sich die Parteien der Mitte in ihren inhaltlichen Positionen nicht dramatisch voneinander unterscheiden, gewinnen die Köpfe hinter den Inhalten an Bedeutung. Im Bundeswahlkampf 2021 war der Fokus auf die beiden Kanzlerkandidaten und die -kandidatin auch deshalb so groß, weil die öffentliche Aufmerksamkeit durch die parteiinternen Auswahlprozesse (Laschet vs. Söder; Baerbock vs. Habeck) bereits frühzeitig auf Personen gerichtet war. Diese Personalisierung könnte mittelfristig auch das innere Gefüge der Parteien verändern. Einen entsprechenden Vorgeschmack vermittelte der CSU-Vorsitzende Markus Söder durch eine kaum verbrämte Abwertung der Relevanz und Kompetenz demokratisch legitimierter Gremien der CDU im Vergleich zu Umfrageergebnissen (vgl. Alexander 2021, S. 338 ff.). Parteigremien werden künftig voraussichtlich noch mehr an Kontrolle über die Kür ihrer Kandidaten und Kandidatinnen einbüßen.