Im Juli 2022 wurde die sechste Jugendstudie „Junges Europa 2022“, die die TUI-Stiftung realisiert hat, in Berlin vorgestellt. Das Meinungsforschungsinstitut YouGov befragte für die Studie im April 2022 mehr als 6.000 Menschen zwischen 16 und 26 Jahren in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland und Polen.
Die repräsentative Studie verdeutlicht, dass die Klimakrise von den 16–26-jährigen Europäer*innen als größte Bedrohung wahrgenommen wird. Neben der Klimakrise stehen vor allem der Krieg gegen die Ukraine und die Corona-Pandemie im Vordergrund. Auch bei den derzeit drängendsten Problemen der EU hat für die jungen Europäer*innen der Umwelt- und Klimaschutz gemeinsam mit Migration und Asyl oberste Priorität (je 30 %), während Außenpolitik und Verteidigung (24 %) an vierter Stelle folgen.
Vor allem in Polen, Deutschland, Italien und Griechenland empfinden junge Menschen den Überfall Russlands auf die Ukraine als persönliche Bedrohung. Auch die Furcht vor einem Krieg in einem EU-Land nimmt zu: Fast die Hälfte (46 %) der jungen Europäer halten einen Krieg in einem EU-Mitgliedsland in den nächsten zehn Jahren für möglich, 2020 waren es nur 37 %.
Um die humanitäre Lage zu verbessern, zeigen junge Europäer eine hohe Bereitschaft für persönliches und staatliches Engagement. Dabei fällt auf, dass die Zustimmungswerte insbesondere dann geringer ausfallen, wenn mit den Maßnahmen persönliche Kosten verbunden sind. So würden zwei Drittel (68 %) der Befragten Geflüchtete im eigenen Land aufnehmen. 54 % von ihnen würden akzeptieren, dass ihr Land anderen Ländern Waffen liefert, um dort Kriegsverbrechen und Menschenrechtverletzungen zu stoppen. Dagegen fällt die Bereitschaft deutlich geringer aus, wenn höhere Kosten für Benzin (35 % der jungen Europäer*innen stimmen zu, in Deutschland 45 %), für Lebensmittel (35 % Europa, 45 % Deutschland) und für Wärme und Strom (34 %, 44 % Deutschland) zu befürchten sind.
Zwar befürworten 61 % der jungen Menschen in Europa Waffenlieferungen an die Ukraine, davon allerdings weniger als ein Drittel der Befragten (27 %) „voll und ganz“. 34 % unterstützen sie „eher“. Am stärksten ist die Zustimmung in Polen, wo 47 % der jungen Menschen „voll und ganz“ hinter den Waffenlieferungen stehen. In Griechenland (14 % „voll und ganz“) und Italien (19 %) sind junge Menschen am skeptischsten.
Fast die Hälfte der Befragten (46 %) glaubt, dass durch den Krieg in der Ukraine die Energiewende in Europa beschleunigt wird. Gleichzeitig zeigen sich die Jugendlichen und jungen Erwachsenen wenig ideologisch: Um unabhängig von russischer Energie zu werden, sollten Atomkraftwerke (44 %) länger in Betrieb bleiben. Bei Kohlekraftwerken fällt mit 37 % die Zustimmung deutlich geringer aus. Mehr als zwei Drittel (71 %) finden: Erfolge im Klimawandel können nur erzielt werden, wenn Politik und Gesellschaft kompromissbereit sind. Junge Menschen sind sich nicht nur des Problems Klimawandel bewusst, sondern sehen auch die Zielkonflikte, die sich beispielsweise aus der Energiekrise ergeben.
Mehr als jeder Zweite findet, dass die EU-Länder den Kampf gegen den Klimawandel höher priorisieren sollten als Energieunabhängigkeit (52 %). Wie auch vor dem Krieg in der Ukraine bewerten junge Europäer heute den Kampf gegen den Klimawandel höher als Maßnahmen für mehr Wirtschaftswachstum. Jedoch zeigt sich hier im Zeitvergleich in fast allen Ländern ein rückläufiger Trend. Während etwa in Deutschland im vergangenen Jahr noch 47 % der Befragten dem Klimawandel den Vorrang gaben, tun dies 2022 nur noch 36 %.
Maßnahmen gegen den Klimawandel werden mehrheitlich als Beitrag zur Sicherung zukünftiger Freiheit (66 %) denn als Beschränkung von den jungen Europäern wahrgenommen. Rund ein Viertel der jungen Deutschen (26 %) empfindet sie allerdings auch als Einschränkung. Das ist im Ländervergleich die höchste Prozentzahl – in Italien sind es nur 11 %. Vom Staat erwarten sich junge Menschen aktive Unterstützung im Kampf gegen den Klimawandel. 58 % der Befragten meinen, dass er zum Beispiel über höhere Steuern, Regeln und Verbote dafür sorgen soll, dass Produkte und Dienstleistungen klimafreundlich sind. Geht es um einen Zulassungsstopp für Benzin – und Dieselautos, nimmt die Zustimmung ab. 40 % der jungen Europäer sind für einen solchen Schritt, die geringsten Zustimmungswerte dafür gibt es in Polen (29 %) und Deutschland (34 %).
Junge Menschen sind im Jahr 2022 weniger optimistisch, was ihre Zukunftsaussichten angeht. Mit Ausnahme der 16- bis 26-Jährigen in Spanien und Italien steigen die pessimistischen Einstellungen in Bezug auf die persönliche Situation jeweils auf Rekordwerte. Die 2017 erfragten Zukunftsaussichten wurden noch nie so negativ bewertet.