Außerschulische Bildung 3/2021

Neue Reihe: Rechtsextremismusforschung

Im universitären Betrieb, der sich mit Erwachsenenbildung und außerschulischer Jugendbildung befasst, sieht man „sich längst einer affirmativen Sozialtechnologie verpflichtet, vermeidet Gesellschaftskritik und unterstützt, was ist“. Diese Feststellung des 2020 verstorbenen Erwachsenenpädagogen Klaus Ahlheim zitiert Klaus-Peter Hufer in seinem Nachruf, der jetzt in der ersten Ausgabe der „Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung“ (ZRex 1/21, S. 176) erschienen ist. Die Bezugnahme auf einen exponierten Fachmann der politischen Bildung kann man als doppeltes Signal verstehen: Die Zeitschrift, die zweimal jährlich erscheinen soll, will nicht im akademischen Elfenbeinturm verbleiben, sondern pädagogische und zivilgesellschaftliche Akteure, „inkl. Aktivismus“ (S. 4), einbeziehen; und sie will eine kritische Distanz zum Extremismuskonzept des Staatsschutzes einnehmen, das vom Standpunkt einer Gefahrenabwehr aus politische Strömungen ohne großes Interesse an deren inhaltlichen Besonderheiten klassifiziert.

Letzteres erläutert die Redaktion im Editorial, wo sie auf die Problematik des Rechtsextremismusbegriffs zu sprechen kommt. Trotz „seiner vielfach staatlich-normativen Prägung“ (S. 3) habe man sich aus pragmatischen Gründen zu seiner Verwendung entschieden. Eine sinnvolle Entscheidung – denn die Kritik an diesem Konzept und die Notwendigkeit alternativer theoretischer Zugänge kommen in dem Heft durchaus zu Wort. So nimmt Lars Rensmann im Eröffnungsbeitrag gleich die „Mitte der Gesellschaft“ ins Visier, nämlich den „autoritären Populismus“ Trumps im Zusammenhang mit der Neuformierung der radikalen US-Rechten. Oder Maik Fielitz informiert im Rezensionsteil am Beispiel des britischen Historikers Roger Griffin über den Stand der vergleichenden Faschismusforschung, betont dabei auch, dass es hier nicht um ein abgeschlossenes historisches Kapitel geht, sondern um die Analyse des heutigen Neofaschismus.

Im Hauptteil folgt nach dem Blick auf die Weltführungsmacht – der in der Wahlniederlage des Trumpismus gleichzeitig eine erhebliche Stärkung der radikalen Rechten diagnostiziert – eine regionale und lokale Fokussierung auf Ostdeutschland: Das Land Sachsen bzw. die Stadt Leipzig werden von Susanne Rippl, Christian Seipel und Elena Mayer zum Thema gemacht, und zwar hinsichtlich des Topos der „besorgten Bürger“, die sich vom Extremismus abgrenzen („Ich bin doch kein Nazi“), oder etwa der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF), die Wilhelm Heitmeyer seinerzeit als Problem der Mehrheitsgesellschaft dingfest gemacht hatte.

Es gibt weitere Beiträge, die sich mit Rechtspopulismus, Verschwörungsglauben oder „Maskulinismus“ auseinandersetzen, so etwa mit Einstellungen und Mediennutzung von „Menschen mit AfD-Wahlpräferenz“. Wolfgang Frindte, der auf Sozialisationsbedingungen und den Erwerb von „Demokratiekompetenz“ eingeht, hält als aktuellen Befund fest: „Die Corona-Krise verdeutlicht: Der Rechtsextremismus bewegt sich in der Mitte der Gesellschaft“ (S. 109). Was sich im rechtsterroristischen Untergrund tut, beleuchte ein Überblicksartikel von Robert Phillipsberg.

Die Problematik des Extremismuskonzepts wird explizit Thema bei Jannis Eicker, der eine Untersuchung zum Stand der (deutschsprachigen) Rechtsextremismusforschung durchgeführt hat und als Ergebnis eine Synopse liefert, die vor allem Defizite festhält. Ob hier allerdings „integrative Ansätze“ (S. 140) weiterhelfen, ist die Frage. Der Autor setzt darauf, nennt als möglichen „prototypischen“ Bezugspunkt das GMF-Syndrom. Dabei gerät aus dem Blick, dass mit einem „Syndrom“ zunächst nur das Zusammentreffen von Merkmalen benannt ist und dass sich daran dann – wie man in Heitmeyers zehn Folgen der „Deutschen Zustände“ nachlesen kann – manche Schwierigkeit der theoretischen Bestimmung festmacht.