Der gesellschaftliche Zusammenhalt in Deutschland hat sich in der Corona-Krise als robust erwiesen und ist in den ersten Monaten nach Ausbruch der Pandemie sogar noch gewachsen. Doch zugleich macht die Ausnahmesituation soziale Unterschiede sichtbarer und verschärft die Probleme bestimmter Bevölkerungsgruppen. Das geht aus der Publikation „Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Deutschland 2020. Eine Herausforderung für uns alle. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsstudie“ hervor, die von Robert Follmer, Thorsten Brand und Kai Unzicker für die Bertelsmann Stiftung verfasst wurde.
Für die Studie wurden zunächst im Februar und März 3.010 Personen repräsentativ befragt, 1.000 hiervon dann noch einmal im Mai und Juni, also nach dem Ende der Kontaktbeschränkungen. Im Zeitverlauf zeigt sich, dass noch im Februar 46 % der Befragten den Zusammenhalt in Deutschland als gefährdet ansahen. Dieser Anteil reduzierte sich bereits im März auf 40 % und sank im Mai und Juni weiter auf 36 % ab. Ebenso nahm der Eindruck ab, die Bürger*innen würden sich nicht um ihre Mitmenschen kümmern. Während dies im Februar noch 41 % sagten, äußerten im Mai und Juni nur noch 21 % diese Auffassung. Auch das Vertrauen in die Bundesregierung hat über die Monate deutlich zugelegt: von 19 % zunächst auf 30 % im März und schließlich bis auf 45 % beim dritten Befragungszeitpunkt.
Auch in der langfristigen Perspektive gibt die Studie Anlass zu Optimismus. Im Vergleich zur Vorgängeruntersuchung aus dem Jahr 2017 erweist sich der gesellschaftliche Zusammenhalt insgesamt als stabil. Die 36 Indikatoren, mit denen der Zusammenhalt auf einer Skala von 0 (gering) bis 100 (hoch) gemessen wurde, haben sich in den vergangenen drei Jahren kaum verändert.
Andererseits zeigt die Erhebung aber, dass es soziale Gruppen gibt, die den Zusammenhalt in der Gesellschaft systematisch als geringer erleben. Rund 43 % aller Befragten weisen mit Werten von weniger als 60 % unterdurchschnittliche Ergebnisse auf. In dieser Gruppe sind Menschen mit geringerer formaler Bildung, niedrigem ökonomischem Status und Migrationshintergrund häufiger vertreten. Ebenso finden sich darunter vergleichsweise viele Personen, die allein leben oder Alleinerziehende sind. Menschen, die einen geringen Zusammenhalt erleben, zeichnen sich außerdem durch eine größere Zukunftsangst aus.
Die Studienautoren empfehlen, das Augenmerk von Politik und Gesellschaft insbesondere auf die Bevölkerungsgruppen zu richten, die ein geringeres Maß von Zusammenhalt verspüren und von einer schlechteren Versorgung mit sozialer Infrastruktur in ihrem näheren Umfeld berichten.