Tagung der AdB-Fachkommission Europäische und Internationale Bildungsarbeit
Vom 22. bis 24. September 2021 tagte die AdB-Fachkommission Europäische und Internationale Bildungsarbeit im Centre Français de Berlin. Schwerpunkt war die internationale Begegnungsarbeit vor dem Hintergrund fundamentaler Veränderungsprozesse in Deutschland und den Partnerländern innerhalb und außerhalb Europas. Zu nennen sind hier Entwicklungen wie Shrinking Civic Spaces, die Beeinflussung und Behinderung von NGO-Arbeit, aber auch politische Maßregelung, Gängelung bis hin zur Verfolgung von Bildungs- und Jugendorganisationen und den im Feld Aktiven in Russland, der Türkei und – ganz prominent – in Belarus.
Partner aus Belarus und aus Russland berichteten aus erster Hand über ihre aktuelle Situation und die verschärften Maßnahmen (Einschränkung, Schließungen, Verfolgung, Verhaftung und Folter mit Todesfolgen) gegenüber zivilgesellschaftlichen Jugend- und Bildungsorganisationen. Im Falle Russlands wurde die perfide Strategie der Kriminalisierung von Organisationen und Akteuren im Rahmen der Foreign Agents Laws und der Anti-Extremismus-Gesetze im Zusammenhang mit Auslandskontakten erörtert. Im Falle Weißrusslands berichtete eine aus dem Umfeld einer früheren AdB-Kooperation aktive NGO über die aktuell stattfindenden Verfolgungen von Aktivist*innen. Die Lageschilderungen und die Berichte aus erster Hand sind emotional sehr schwer zu ertragen und verlangten der Gruppe einiges ab. Die Kommissionsmitglieder stellten sich vielfach die Frage, welche Konsequenzen das Arbeitsfeld der politischen Bildung und gerade auch der Verband zu verantworten bereit ist und welche Schritte konkret angegangen werden sollten. Es bildete sich hierzu eine Arbeitsgruppe, die konkrete Vorschläge ausarbeiten wird.
In einer zweiten Perspektive erörterte die Kommission die Frage, wie sich internationale Begegnungsarbeit positionieren könnte, indem sie bspw. die politischen Rahmungen von Begegnungsarbeit hinterfragt, neu setzt und ausrichtet. Es muss dabei bedacht werden, dass auch der Diskurs politischer Bildung in Deutschland sich in mehreren Dimensionen wandelt (bspw. in Hinblick auf politische Aktion, Neutralität, Rassismuskritik und Diversität in der politischen Bildung) und neu ausrichtet. Politische Bildner*innen müssen im internationalen Kontext teilweise lernen, zwischen komplett gegenläufigen politischen Zielsetzungen und Vorstellungshorizonten in den Partnerländern zu agieren. – Willkommen in der Polarisation.
Worauf also den Fokus legen? Inhaltliche Schärfung und gleichzeitig an konkreten Bedarfen und Möglichkeiten der Partner orientierte Ausdifferenzierung der Programme und Kooperationen weltweit? Mit dem Deutsch-Griechischen Jugendwerk, dem neu gegründeten Deutsch-Afrikanischen Jugendwerk sowie den konkreten politischen Schritten zum Aufbau eines Deutsch-US-Amerikanischen Jugendwerks weitet sich aktuell die Welt der Möglichkeiten trotz Pandemie stark aus.
Der AdB ist mit mehreren Begegnungsschwerpunkten und Austauschprogrammen inhaltlich stark positioniert und involviert. Diese fachlich (durch Mobilitätsprogramme, Fokussierungen, Hospitationen) auszugestalten und gleichzeitig mit der Verantwortung einer in einem vergleichsweise sicheren Hafen stehenden Trägerstruktur zu navigieren, wird verstärkt zur Herausforderung und muss in der Kommission aber auch im Verband intensiv diskutiert und begleitet werden. Die Kommission hat versucht, dazu abschließend in einem Open Space-Format zu arbeiten um das Erörterte und Vertiefte auch in den Kontext eigener Praxis und Anliegen der Kommissionsmitglieder zu setzen.
Spaziert sind wir auch: Im Wedding konnten wir mit Christoph Kopp von Berlin Postkolonial e. V. eine Führung durch das Afrikanische Viertel im Wedding unternehmen und auf diese Weise als Kommission Verbindungen zum AdB-Jahresthema 2021 „Was weiss ich? Rassismuskritisch denken lernen! Eine Kernaufgabe für Gesellschaft und Politische Bildung“ herstellen.