Außerschulische Bildung 4/2020

Politische Bildung mit Kindern – (Wie) geht das?

Auftakttagung zum Modellprojekt „Demokratie-Profis in Ausbildung!“ hat online stattgefunden

Ina Bielenberg, AdB-Geschäftsführerin, und die Projektleiterin Rebecca Arbter eröffnen die Veranstaltung Foto: AdB

Am 2. September 2020 fand die Online-Auftakttagung des Modellprojekts „Demokratie-Profis in Ausbildung! Politische Bildung mit Kindern“ mit dem Titel „Voraussetzungen & Gelingensbedingungen für die non-formale politische Bildung mit Kindern im Grundschulalter“ statt. Die Fachtagung bot den thematischen Einstieg in die Arbeit des Modellprojekts. Der Fokus des Programms lag auf bereits bestehenden Erfahrungen in der politischen Bildung mit Kindern und der Auseinandersetzung mit den entwicklungspsychologischen Voraussetzungen und Fähigkeiten von Kindern.

Ina Bielenberg, Geschäftsführerin des AdB, und Rebecca Arbter, Projektleiterin des Modellprojekts, eröffneten die Fachtagung. Gemeinsam begrüßten sie aus der „Botschaft für Kinder“ in Berlin die rund 80 Teilnehmer*innen an den Bildschirmen. Zum Einstieg richtete Thomas Heppener, Leiter des Referats Demokratieförderung im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), ein Grußwort an die Teilnehmer*innen. Er betonte die Bedeutung früher Demokratieförderung. Diese helfe Kindern von Anfang an, eine eigene Meinung zu entwickeln, demokratische Prozesse mitzugestalten und somit Selbstwirksamkeit zu erfahren.

Nach einer kurzen Vorstellung der Kernvorhaben und Zielsetzungen des auf fünf Jahre angelegten Modellprojekts referierte Professor Dr. Thomas Goll von der Technischen Universität Dortmund zum Thema „Evidenzbasiert oder deklarativ – was wissen wir wirklich über die politische Bildbarkeit von jungen Kindern?“ Er gab einen Einblick in den wissenschaftlichen Stand der Erkenntnisse im Feld der politischen Bildung mit Kindern. Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass Kinder zwar über politisches (Fach-)Wissen verfügen, dass sie jedoch auch Fehlvorstellungen darüber haben, was Politik ist, und es ihnen schwerfällt, ihre konzeptuellen Vorstellungen sprachlich darzulegen. Es mangele an Studien zur Förderung politischen Kompetenzerwerbs in der Kindheit und dessen Einfluss auf späteres politisches Engagement. Insbesondere der Einfluss politischer Bildung mit Kindern im außerschulischen Bereich sei bisher in der Wissenschaft nicht beleuchtet worden. Aus den wissenschaftlich bestehenden Erkenntnissen lasse sich schließen, dass in der politischen Bildung mit Kindern dem Aufbau eines domänenspezifischen Wortschatzes Bedeutung zukommen muss, sodass Kinder sich die Sprache aneignen können, die sie zur Beschreibung ihrer Vorstellungen benötigen. Daneben sei es wichtig, die Empirie zukünftig weiter auszubauen, um zu gesicherten Erkenntnissen im Bereich der politischen Bildung mit Kindern zu kommen.

Im zweiten Vortrag „Politische Bildung mit Kindern im Grundschulalter – (wie) geht das? Eine Einschätzung aus entwicklungspsychologischer Perspektive“ beleuchtete Professorin Dr. Sabina Pauen von der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg den kognitiven Entwicklungsstand von und die daraus resultierenden Bedingungen für politische Bildung mit Kindern im Grundschulalter. Das Gelingen politischer Bildung hänge aus ihrer Sicht eng mit der sozialen Entwicklung zusammen. Während Kinder von der Säuglings- bis zur Grundschulzeit Selbstwirksamkeit erfahren, Autonomie sowie ein soziales Normenverständnis entwickeln, sei die Grundschulzeit darauf aufbauend von besonderer Bedeutung. Es gehe hier weniger um die Vermittlung von „Wissen über“, sondern vielmehr um das Einüben sozialen Handelns, das mit den Grundprinzipien demokratischen Bewusstseins übereinstimmt. Diese Erfahrungen seien die Grundlage, auf der abstraktes Wissen über Politik und Gesellschaft verinnerlicht werden könne.

In der anschließenden Gesprächsrunde hoben beide Referent*innen insbesondere die Bedeutung einer wissenschaftlichen Begleitung des Modellprojektes hervor. Da der außerschulische Bereich bisher wenig universitäre Anbindung habe, sei die Begleitung des Projektes essenziell, um basierend auf erweiterten Erkenntnissen politische Bildung mit Kindern im außerschulischen Bereich zu stärken.

Am Nachmittag hatten die Teilnehmer*innen die Gelegenheit an verschiedenen Online-Workshops teilzunehmen. Es wurden anhand unterschiedlicher Themen Ansätze und Methoden der politischen Bildung mit Kindern vorgestellt. Folgende Online-Workshops standen zur Wahl:

  • Antisemitismus als Thema in der historisch-politischen Bildung mit Kindern (Veronika Nahm, Anne Frank Zentrum e. V.)
  • Migration und Vielfalt als Themen in der politischen Bildung mit Kindern (Bettina Dettendorfer, Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein e. V.)
  • Vorstellung des Anti-Bias Ansatzes am Beispiel Adultismus (Žaklina Mamutovic, Anti-Bias-Netz)
  • Minetestbildung – mit Kindern spielend Politik lernen (Tobias Thiel, Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt)
  • Alle(s) gleich (viel Wert)?! Klassismuskritische Bildung mit Kindern (Dana Meyer, ABC Bildungs- und Tagungszentrum e. V.)

Im abschließenden Teil der Tagung wurden Eindrücke aus zwei der Online-Workshops vorgestellt. Anschließend reflektierten Sebastian Bock, Stellvertretender Geschäftsführer des AdB, und Rebecca Arbter Eindrücke und Erkenntnisse der Tagung für den weiteren Projektverlauf. Es ist wichtig, Fachkräfte mit einzubeziehen und die eigene Bildungspraxis infrage zu stellen. Politische Bildung mit Kindern passiert zumeist über Beziehungsarbeit. Somit ist es eine notwendige Bedingung für Fachkräfte, die Perspektive der Kinder einzunehmen. Kinder erfassen die Welt durch Erfahrung, deshalb ist auch die Zusammenarbeit mit Schulen bedeutsam. Durch eine solche Zusammenarbeit können demokratische Schulstrukturen gestärkt werden, sodass Demokratie nicht nur als Begriff erlernt, sondern als Lebensform erlebt werden kann. Das bedeutet für die Weiterarbeit im Projekt, dass für die geplanten Fortbildungsveranstaltungen auch Themen gewählt werden, die sowohl die Kompetenzen von Fachkräften in dieser Hinsicht erweitern und stärken als auch spezifische Themen und Methoden, wie bspw. zu rassismuskritischer Bildung, in den Fokus stellen.

Trotz der kurzfristigen Verschiebung der zunächst hybrid geplanten Veranstaltung in den digitalen Raum ist es gelungen, eine spannende und kurzweilige Tagesveranstaltung umzusetzen.

Anfang Oktober ist dann die Website zum Modellprojekt online gegangen. Unter www.demokratie-profis.adb.de sind ab sofort Informationen zum Projektvorhaben, den beteiligten Pilotstandorten sowie zu Veranstaltungen und Publikationen zu finden. Die Website richtet sich an politische Bildner*innen, Lehrer*innen, Erzieher*innen, in der Kinder- und Jugendhilfe und an anderen Bildungsorten Tätige, sowie an alle, die sich im Feld der politischen Bildung mit Kindern engagieren und/oder weiterbilden möchten.

Zukünftig werden auf der Website Aktivitäten im und Erkenntnisse aus dem Projekt präsentiert sowie Veranstaltungen im Projekt und im Themenfeld veröffentlicht. Die sieben Pilotstandorte werden vorgestellt und berichten zu ihren Vorhaben. Auch Publikationen anderer Träger zum Thema politische Bildung mit Kindern sind auf der Seite zu finden. Sukzessive wird so neben der Berichterstattung zum Modellprojekt auch eine Wissenssammlung zum Thema entstehen.

Der AdB und seine Mitgliedseinrichtungen erproben mit dem Modellprojekt deutschlandweit Formate der politischen Bildung mit Kindern im Alter von 6 bis 12 Jahren. Im Vordergrund steht das Ziel, politische Themen für Kinder altersgerecht erfahrbar und zum Bildungsgegenstand zu machen. In der fünfjährigen Projektlaufzeit (2020–2024) entstehen an Pilotstandorten zusammen mit den AdB-Mitgliedseinrichtungen und -trägern sowie mit lokalen Kooperationspartner*innen Formate der politischen Bildung für Kinder. Darüber hinaus werden im Rahmen des Projektes Veranstaltungen für Fachkräfte der non-formalen und formalen politischen Bildung und der Kinder- und Jugendhilfe sowie für Multiplikator*innen angeboten. Diese haben zum Ziel, die Teilnehmenden zu politischer Bildung mit Kindern zu qualifizieren.

Das Modellprojekt wird gefördert vom BMFSFJ im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ sowie von der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb.