Außerschulische Bildung 1/2023

Othering als Gemeinsamkeit

Anregungen für eine subjektorientierte politische Bildung

In diesem Beitrag wird ein kurzer Einblick in eine Teilstudie eines europäischen Forschungsprojekts gegeben, die die Perspektiven junger Erwachsener auf Integration und Teilhabe in den Mittelpunkt stellt und Erfahrungen gesellschaftlicher Ein- und Ausschlüsse sichtbar macht. Ausgehend von den Ergebnissen werden mögliche Konsequenzen für die politische Bildung und für das Verständnis von Subjektorientierung thematisiert. von Dorothea Biaback Anong, Swantje Penke und Leonie Wagner

In der Migrationsforschung sind bislang die Perspektiven junger Erwachsener (19–29 Jahre) ohne Migrationserfahrung in Bezug auf ihre Vorstellungen zu Integration wenig erforscht. Im Rahmen des EU-Forschungsprojektes „MIMY – EMpowerment through liquid Integration of Migrant Youth in vulnerable conditions“ The research project MIMY was funded by European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme under Grant Agreement No. 870700. wurden deshalb die Wahrnehmungen und Erfahrungen junger Erwachsener in vulnerablen Lebenssituationen auf ihre Vorstellungen und Erfahrungen zu Migration und Integration hin untersucht. In diesem Artikel werden die Ergebnisse aus einer Teilstudie des Projektes aus der ländlich geprägten, niedersächsischen Region Holzminden vorgestellt. In der Auswertung zeigte sich eine interessante Verbindungslinie: Die befragten Jugendlichen interpretierten Integration vor allem aus der Perspektive eigener Ausgrenzungserfahrungen. Daran anschließend stellen wir in diesem Beitrag die Frage nach möglichen Konsequenzen für Ansätze der politischen Bildung bzw. einer erweiterten Lesart des Konzepts Subjektorientierung.

Forschungsinteresse und Untersuchungsdesign

Im Rahmen der Fallstudie wurden biographische Interviews mit 12 jungen Erwachsenen ohne eigene Migrationserfahrung geführt, die sich in unterschiedlichen vulnerablen Lebenssituationen befinden, z. B. im Übergang in Arbeit, als Alleinerziehende oder mit einer Beeinträchtigung. Ein Teil der befragten jungen Menschen hat einen familiären Migrationshintergrund. Ein Ziel war, die Perspektiven junger Nicht-Migrant*innen hinsichtlich ihrer Erfahrungen mit gesellschaftlichen Ein- und Ausschlüssen und Teilhabe in unterschiedlichen Lebensbereichen zu erfassen. Vulnerabilität verstehen wir dabei nicht als subjektives Merkmal, sondern als mögliche Erfahrung in bestimmten Lebenssituationen, in denen Verletzbarkeit strukturell hergestellt wird (vgl. Gilodi/Albert/Nienaber 2022).