Außerschulische Bildung 3/2020

Politische Bildung klimaneutral

Was Bildungsstätten in der Klimakrise tun können

Die fortschreitende Klimakrise nimmt auch Bildungsstätten in die Verantwortung – in der politischen Bildungsarbeit und im nachhaltigen Hausmanagement. Die Erfahrungen der Villa Fohrde auf dem Weg zu einem nachhaltigen Lernort im ländlichen Brandenburg zeigen hier Handlungsoptionen auf. Bildungsorte sind nur dann glaubwürdig, wenn Denken, Sprechen und Handeln übereinstimmen. Ziel ist es, mit einem Puzzle von gelingenden Praktiken zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft beizutragen. von Julia Wunderer

In der Stellungnahme zum AdB-Jahresthema 2020 (vgl. AdB 2019) wird anerkannt, dass die Klimakrise die globale Krise dieser Zeit ist. Dies ist umso bemerkenswerter, als dass für gewöhnlich Klimawandel der gängige Begriff von Regierungsdokumenten über die Alltagssprache bis zur wissenschaftlichen Debatte ist. Nils Meyer-Ohlendorf merkt aber an, dass „wo Sprache ist, da ist auch Subtext. Vor allem da, wo Sprache politisch wird.“ (Meyer-Ohlendorf 2018) Er führt weiter aus, dass der Begriff „Klimawandel“ einen natürlichen Prozess suggeriere, für gewöhnlich langsam und linear. Im Terminus „Klimakrise“ dagegen wird die Dringlichkeit des Problems deutlicher. Er findet sich beispielsweise in der Berichterstattung des Guardian wieder, um präziser und angemessener berichten zu können (vgl. Carrington 2019). Auch einer der renommiertesten deutschen Klimaforscher, der Gründer des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung Hans-Joachim Schellnhuber, bekräftigte im November 2019 die Verwendung des Begriffs: „Klimawandel ist relativ neutral, Klimakrise ist bedrohlich, Klimakatastrophe fatal. Wir stehen natürlich inzwischen mitten in der Klimakrise, das ist gar keine Frage. Ich selbst verwende diesen Begriff auch. Wir sind noch nicht in der Klimakatastrophe, aber marschieren stur darauf zu. Trotzdem ist es noch möglich, sie zu verhindern.“ (Schellnhuber 2019)

Diese aktuelle Positionsbeschreibung im Prozess der globalen Erderwärmung zeigt, wie wichtig es ist, die Klimakrise in der politischen Bildung als zentrales Thema zu verankern und den Gedanken der Nachhaltigkeit in Bildungsstätten umzusetzen. Die Verwendung des Begriffs Klimakrise zeigt somit auch die Politisierung der Klimadiskussion, die nicht unerheblich vorangetrieben wurde durch die Jugendbewegung Fridays for Future. Deren Forderungen – und das ist bemerkenswert und von grundlegender Bedeutung – erfahren einen breiten, nahezu ungebrochenen wissenschaftlichen Rückhalt (vgl. Bieling/Eggersdorfer 2020, S. 15 f.).

Die Nachhaltigkeitsdebatte seit dem Brundtlandt-Bericht von 1987 gewinnt mit einer weltweiten Protestbewegung und starken wissenschaftlichen Stimmen zusätzlich an notwendigem Aufwind. Zwar mögen viele den Begriff „Nachhaltigkeit“ nicht mehr hören, weil er inflationär verwendet werde, dennoch sollten wir uns vergegenwärtigen, dass Nachhaltigkeit auf die Zukunftsfähigkeit von Gesellschaften in ökologischer, ökonomischer, sozialer und kultureller Hinsicht zielt und somit mehr als ein Schlagwort ist. Vor diesem ernsten Hintergrund sollten wir das Gähnen über Begrifflichkeiten einstellen und endlich loslegen. Dem oben beschriebenen Krisenszenario steht die Einschätzung Harald Welzers gegenüber, dass es „mithin dringend an der Zeit (wäre) mit dem Mahnen und Warnen aufzuhören“ (Welzer 2019, S. 18), denn die Kluft zwischen Bewusstsein und Handeln wachse paradoxerweise mit jeder Katastrophenmeldung. Bei Nachhaltigkeit geht es darum, die vorhandenen Ressourcen innerhalb der planetaren Grenzen gerecht zu verteilen – zwischen den rund 7,7 Milliarden Menschen, die aktuell leben, aber auch mit Blick auf künftige Generationen. Dass wir in diesem Sinne nicht nachhaltig leben zeigt der „Earth Overshoot Day“. Demnach verbrauchen wir Menschen weltweit derzeit 1,6 Erden pro Jahr (eine überwiegend COVID19-bedingte Reduktion um 0,1 Erden bereits eingerechnet); und zwar auf Kosten vieler ärmerer Länder und nachfolgender Generationen. Würden alle so leben wie in Deutschland, wären es rund 3 Erden pro Jahr (vgl. Global Footprint Network 2020). Politische Bildung hat sich stets auch mit Fragen von Gerechtigkeit und Verteilung beschäftigt. Damit ist nachhaltiges Handeln auf der organisatorischen Ebene von Bildungsstätten und eine auf Zukunftsfähigkeit ausgerichtete politische Bildungsarbeit die Grundlage für Glaubwürdigkeit in diesem Feld.