Zum Verhältnis von politischer Bildung und Jugendbeteiligung
Seit März 2021 ist der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e. V. (AdB) Träger der Akademie für Kinder- und Jugendparlamente. Hintergründe zum Projekt finden sich hier: www.kijupa.adb.de Primäres Ziel der Akademie ist es, junge Menschen durch Angebote der politischen Bildung dabei zu unterstützen, sich auf demokratischem Wege in politische Entscheidungsprozesse einzubringen. Als Fachverband der politischen Bildung geht es dem AdB in der Projektumsetzung um die Stärkung politischer Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, die reale Berücksichtigung und Gehör findet und damit eine „Mitwirkung mit Wirkung“ ist, und die zugleich einen Zuwachs an politischer Bildung ermöglicht.
Der Ansatz folgt der Empfehlung des 16. Kinder- und Jugendberichts, dass „politische Bildung mit politischer Beteiligung Hand in Hand gehen muss“ (Deutscher Bundestag 2020, S. 14). Hier setzt der vorliegende Beitrag mit der zu Grunde liegenden Erkenntnis an, dass diese beiden Bereiche zwar eng aufeinander bezogen, aber nicht identisch sind, und sich in ihrer jeweiligen Logik und Aufgabe unterscheiden.
Während politische Partizipation „als instrumentelle, zielgerichtete und aktive Handlung im Sinne der Teilnahme am politischen Prozess der Meinungs- und Willensbildung sowie der Entscheidungsfindung verstanden“ (Hebestreit/Korte 2015, S. 24) werden kann, geht es in der politischen Bildung primär darum, „dass Menschen lernen politische Sachverhalte zu verstehen und kritisch zu hinterfragen sowie ihr Leben in der Gesellschaft aktiv mitzubestimmen“ (Becker o. J., S. 1), indem sie sich selbst politisch verorten.
Gerade aufgrund dieser unterschiedlichen Schwerpunktsetzung können sich beide Bereiche nicht nur gegenseitig bereichern, sondern sind sogar aufeinander angewiesen. Politische Partizipation, so unsere These, ist einerseits ein wesentlicher Bestandteil von politischer Bildung. Andererseits ist politische Bildung aber mehr als politische Partizipation. Indem sie Beteiligungsprozesse reflektiert und als Lerngelegenheit begreift, kann sie dazu beitragen, das Interesse an gesellschaftspolitischen Fragen zu vertiefen. Beide Bereiche stehen in einer engen, aber voneinander zu unterscheidenden Beziehung zur Demokratie. Politische Bildung stellt dabei eine entscheidende Grundlage für die Wahrnehmung und Ausgestaltung von politischer Partizipation in einer Demokratie dar.
Zunächst werden wir auf das Wechselverhältnis von politischer Partizipation und politischer Bildung zur Demokratie eingehen, bevor wir uns das ebenfalls wechselseitige Verhältnis der beiden untereinander genauer anschauen werden (vgl. Abbildung). Abschließend leiten wir daraus Aufgaben ab, die sich für die politische Jugendbildung zur Unterstützung von demokratischen Beteiligungsprozessen ergeben.

Demokratie braucht politische Partizipation, politische Partizipation braucht Demokratie
Demokratien sind darauf angewiesen, dass ihre Mitglieder aktiv an der Mitgestaltung politischer Prozesse beteiligt sind. Die Berücksichtigung vielfältiger Interessen und Perspektiven durch politische Teilhabe erhöht zudem die Chance auf gerechtere und breiter akzeptierte politische Entscheidungen. Menschen können sich dabei auf unterschiedliche Art und Weise und in verschieden stark ausgeprägter Form politisch beteiligen, bspw. durch Teilnahme an Wahlen, durch zivilgesellschaftliches Engagement, die Übernahme politischer Ämter etc.
Demokratien sind darauf angewiesen, dass ihre Mitglieder aktiv an der Mitgestaltung politischer Prozesse beteiligt sind. Die Berücksichtigung vielfältiger Interessen und Perspektiven durch politische Teilhabe erhöht zudem die Chance auf gerechtere und breiter akzeptierte politische Entscheidungen.
Auf der anderen Seite ist auch politische Partizipation auf Demokratie angewiesen. Wirksame politische Partizipation setzt voraus, dass Grundrechte wie Meinungsfreiheit bestehen, demokratische Werte gelebt werden und Menschen die Möglichkeit haben, auf alle politischen Entscheidungen – direkt oder indirekt – Einfluss zu nehmen. Demokratische Strukturen garantieren dabei mehr als nur punktuelle Beteiligungsmöglichkeiten und Mitsprache auch in weitreichenden Angelegenheiten. Der Umfang der Entscheidungsmöglichkeiten und der daran teilnahmeberechtigte Personenkreis sind durchaus umstritten und Teil politischer Auseinandersetzungen.
Politische Bildung braucht Demokratie, Demokratie braucht politische Bildung
Ebenfalls sind Demokratie und politische Bildung wechselseitig aufeinander bezogen. Zum einen braucht Demokratie politische Bildung, weil sie hohe Ansprüche an ihre Mitglieder stellt und daher, wie Oskar Negt es ausdrückt, „die einzige Staatsform (ist), die gelernt werden muss“ (Negt 2004, S. 197). Dazu leistet politische Bildung einen wichtigen Beitrag. Es geht ihr darum, Menschen Orientierungswissen zu politischen und gesellschaftlichen Strukturen und Zusammenhängen bereitzustellen, mit ihnen eigene Betroffenheiten und Lebenslagen im Hinblick auf diese zu analysieren, die Bildung eines eigenständigen Urteils zu fördern und Möglichkeiten der politischen Einflussnahme aufzuzeigen: Menschen sollen dazu befähigt und motiviert werden, sich informiert, selbstbestimmt und auf der Grundlage demokratischer Werte am politischen Prozess zu beteiligen (vgl. Deutscher Bundestag 2020, S. 9; 48). Politische Bildung ist nicht neutral, sondern setzt sich für demokratische Grundwerte und Menschenrechte ein: „Kern der Mündigkeitsvorstellung ist dabei die Befähigung zur Teilhabe am demokratischen Gemeinwesen, welches gleichermaßen Voraussetzung und Ziel politischer Bildung ist.“ (Hedtke et al. 2022, S. 19)

In diesem Zitat wird bereits deutlich, dass politische Bildung zum anderen auch auf Demokratie angewiesen ist. Denn das Ziel politischer Bildung, die Entwicklung von mündigen, selbstbestimmten und partizipierenden Menschen zu fördern, lässt sich nur in einer demokratischen Gesellschaft verwirklichen. In nicht-demokratischen Systemen ist die Ausbildung von Mündigkeit und kritischer Urteilsfähigkeit unerwünscht und eine freie politische Bildung daher unmöglich. David Salomon bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: „Mündige Bürger*innen benötigen demokratische Verhältnisse.“ (Salomon 2012, Fußnote 2) Die bestehende Ordnung dahingehend zu überprüfen ist Aufgabe politischer Bildung, die „mit ihrem Anspruch der Mündigkeit und der Autonomie des Subjekts nicht nur zur Teilhabe an den bestehenden Strukturen, sondern auch zur begründeten Kritik an diesen befähigen“ (Lösch 2008, S. 382) soll.
Politische Bildung braucht Partizipation
Wie oben beschrieben, geht es der politischen Bildung darum, Wissen zu vermitteln, die Urteilsfähigkeit zu stärken und für Handlungsfähigkeit zu sorgen. Dabei müssen diese drei Dimensionen nicht zwingend chronologisch aufeinander folgen. Das Verständnis von politischer Bildung als einem vorpolitischen Raum, der der politischen Handlung vorgelagert ist, wird in den Debatten zum Professionsverständnis zunehmend zugunsten eines Ansatzes erweitert, der das politische Handeln selbst als Teil der politischen Bildung begreift (vgl. z. B. den Beitrag von Böhm et al. in dieser Ausgabe der Zeitschrift). Durch die Teilnahme an einer Demonstration kann das Interesse an einem politischen Thema geweckt werden und können Fragen auftauchen, die in der politischen Bildung behandelt werden können. Indem die Handlungserfahrungen reflektiert werden, können das Verständnis für politische Zusammenhänge geschärft und die eigene politische Positionierung bestimmt bzw. hinterfragt werden.
Auch im Sinne der Demokratieförderung gilt, dass durch die politische Praxis demokratische Werte und demokratische Handlungsoptionen nicht nur theoretisch vermittelt, sondern positiv erlebt werden können. Durch Beteiligungsprozesse werden demokratische Handlungskompetenzen wie Konfliktlösungskompetenz, Kommunikationsfähigkeiten oder Kooperationskompetenz erworben. Das Einbringen eigener Interessen und die dabei gemachten Selbstwirksamkeitserfahrungen können das Verständnis und die Akzeptanz demokratischer Entscheidungswege erhöhen. Gleichzeitig können hier aber auch Grenzen von Beteiligungsmöglichkeiten erlebbar werden und daraus Kritik und Forderungen an das bestehende System entstehen. Entsprechend ist politische Bildung auf real existierende Partizipationsmöglichkeiten angewiesen. Anders ausgedrückt: „Demokratie lernt man nicht beim ‚Trockenschwimmen‘, sondern durch Tun.“ (Bielenberg 2023)
Auch im Sinne der Demokratieförderung gilt, dass durch die politische Praxis demokratische Werte und demokratische Handlungsoptionen nicht nur theoretisch vermittelt, sondern positiv erlebt werden können. Durch Beteiligungsprozesse werden demokratische Handlungskompetenzen wie Konfliktlösungskompetenz, Kommunikationsfähigkeiten oder Kooperationskompetenz erworben.
Festzuhalten ist somit, dass im Zuge von Beteiligungsverfahren und in politischer Aktion das Verständnis für demokratische Grundwerte, kritische Urteilsbildung und politische Handlungsfähigkeit gefördert werden können. Politische Partizipation ist somit nicht nur als wichtiger Bestandteil politischer Bildung anzusehen, vielmehr ist erfolgreiche politische Bildung auf politische Partizipation angewiesen.
Politische Partizipation braucht politische Bildung
Politische Bildung stärkt die notwendigen Fähigkeiten und Kompetenzen für die politische Partizipation. Um sich und den eigenen Interessen Gehör zu verschaffen, braucht es politisches Handwerkszeug, das in Angeboten der politischen Bildung trainiert werden kann. Dazu gehören neben Moderationstechniken und rhetorischen Fähigkeiten auch Kenntnisse von Projektmanagement und Öffentlichkeitsarbeit etc. Darüber hinaus ermutigt politische Bildung durch die Stärkung von Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl die Menschen dazu, sich als teilhabeberechtigt anzusehen und selbstbewusst ihre Beteiligungsmöglichkeiten wahrzunehmen bzw. diese einzufordern. Auch die Vermittlung von Grundlagenwissen gehört zu den Kernaufgaben politischer Bildung. Das Wissen darüber, wo und wie politische Entscheidungen getroffen werden und wer für welchen Bereich zuständig ist, erleichtert es, den eigenen politischen Forderungen an den richtigen Stellen Ausdruck zu verleihen.
Allerdings: Die Stärkung (individueller) Handlungskompetenzen, verbunden mit methodischen Fähigkeiten und Selbstkompetenzen wie Mut und Selbstvertrauen, sowie die Vermittlung von Grundlagenwissen sind wichtige, aber noch nicht hinreichende Voraussetzungen dafür, dass Interessen vertreten und in den politischen Diskurs eingebracht werden. Vielmehr bedarf es auch einer gemeinsamen Verständigung über jene Interessen sowie die Ziele politischer Partizipation. Politische Bildung stellt daher Räume zur Verfügung, um Teilnehmende in die Lage zu versetzen, „eine politische Situation und eigene Interessenlage zu analysieren sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne ihrer Interessen zu beeinflussen“ (Becker o. J., S. 6).
Anstatt ein generelles politisches Interesse als gegeben und unhinterfragt vorauszusetzen, geht es der politischen Bildung immer auch darum, ihren Teilnehmenden zu ermöglichen, den politischen Gehalt eigener Interessen zu erkennen und sich selbst auf der Grundlage hinreichender Informationen inhaltlich zu positionieren.
Anstatt ein generelles politisches Interesse als gegeben und unhinterfragt vorauszusetzen, geht es der politischen Bildung immer auch darum, ihren Teilnehmenden zu ermöglichen, den politischen Gehalt eigener Interessen zu erkennen und sich selbst auf der Grundlage hinreichender Informationen inhaltlich zu positionieren. Das bedeutet zum einen, denjenigen, die als unpolitisch gesehen werden oder sich selbst als unpolitisch begreifen, bewusst zu machen, dass und wie ihre Lebenssituation auch gesellschaftlich bestimmt und ihre Themen und Ausdrucksformen als politische Interessensbekundungen einzuordnen sind. Zum anderen bietet politische Bildung Menschen Räume zur Reflexion über bereits bestehende politische Standpunkte an und zeigt weitere Perspektiven, Handlungsoptionen und mögliche Allianzen auf. Auch wenn der Streit als Kern des Politischen durchaus im Sinne des Bildungsprozesses ist, werden kontroverse Positionen dabei nicht einfach gleichrangig nebeneinander stehengelassen, sondern immer auch im Rahmen demokratischer Werte und Menschenrechte diskutiert.
Indem politische Bildung bei den Interessen der Subjekte ansetzt, ihre Artikulation unterstützt und mit gesellschaftlichen Strukturfragen verbindet, wird die Voraussetzung dafür geschaffen, dass Beteiligungsmöglichkeiten ergriffen und mit politischen Inhalten gefüllt werden. Diese Herangehensweise ermöglicht es, dass sich auch jene beteiligen können und wollen, die vom politischen Betrieb bislang weitgehend ausgeschlossen sind. Politische Bildung ist somit eine entscheidende Grundlage für die Wahrnehmung politischer Partizipation.

Um in diesem Sinne zu wirken, darf sie sich allerdings nicht auf eine „vorpolitische Pädagogik“ (Scherr 2012, S. 71) wie die Stärkung von Selbstvertrauen und Partizipationsfähigkeit beschränken, sondern muss bei den Themen und Interessen ihrer jeweiligen Klientel ansetzen. Was dies in Bezug auf die Unterstützung von Jugendbeteiligungsprozessen genauer bedeutet, werden wir im Folgenden ausführen.
Aufgaben für die politische Bildung zur Unterstützung von Jugendbeteiligung
Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Beteiligung, das u. a. im SGB VIII und in der Kinderrechtskonvention verankert ist. Zur Umsetzung von Jugendbeteiligung werden vielfältige Ansätze verfolgt. In letzter Zeit gab es sowohl seitens der Politik vermehrt Bemühungen und Programme, um die Beteiligung junger Menschen zu fördern – beispielsweise die Jugendstrategie der Bundesregierung –, gleichzeitig forderten junge Menschen auch selbst wieder verstärkt Mitspracherechte ein und wird insgesamt ein gestiegenes politisches Interesse junger Menschen konstatiert (vgl. z. B. Albert et al. 2019).
Eine Herausforderung bleibt dabei, dass Themen und Anliegen junger Menschen von der „Erwachsenenpolitik“ oftmals entweder nicht als politisch anerkannt und beachtet werden oder ihre Ausdrucksformen und Protestaktionen als zu radikal zurückgewiesen werden. Andererseits sprechen sich junge Menschen häufig auch selbst die Legitimation zur politischen Mitsprache ab, weil sie sich für zu wenig kompetent halten (vgl. Becker o. J., S. 6 f.).
Politische Bildung ist eine entscheidende Grundlage für die Wahrnehmung politischer Partizipation.
Eine Aufgabe für die politische Bildung ist daher, bei Entscheidungsträger*innen das Verständnis für Jugendbeteiligung zu erhöhen. Auch die Diskussion unterschiedlicher Beteiligungsformate und deren Wirksamkeit sowie die Bereitstellung von Informationen über Beteiligungsmöglichkeiten sind wichtige Bestandteile politischer Bildung zur Unterstützung von Jugendbeteiligungsprozessen. Selbstverständlich muss es – wie oben erläutert – der politischen Bildung auch um die Vermittlung von notwendigen Handlungs- und Selbstkompetenzen gehen, um junge Menschen zur Beteiligung zu befähigen. Ein entscheidendes Analysekriterium für die politische Bildung ist in diesem Zusammenhang, wer an Entscheidungsprozessen beteiligt ist und wer aus welchen Gründen nicht repräsentiert ist. Politische Bildung muss dazu beitragen, dass allen jungen Menschen Zugänge zu Beteiligungsprozessen ermöglicht werden und muss Öffnungsprozesse anstoßen.
Eine zentrale, aber oft zu kurz kommende Aufgabe politischer Bildung ist es, die Situation und Interessen der einzelnen jungen Menschen in einen gesellschaftlichen Kontext zu stellen. Denn viele junge Menschen betrachten ihre Lebenskonflikte als private und individuell zu bewältigende Anforderungen (vgl. ebd.). Hier muss politische Bildung ansetzen und mehr bieten als Kompetenzvermittlung und Informationen über Beteiligungsmöglichkeiten und -formate. Sie muss auch den Raum dafür bieten, Fragen nach den eigenen Interessen und deren gesellschaftlichen Bezug zu thematisieren: Inwiefern hängt meine eigene Situation und Positionierung mit gesellschaftlichen Entwicklungen zusammen? Wie kann ich diese gesellschaftlichen Entwicklungen analysieren und im Sinne meiner Interessen beeinflussen? In diesem Zusammenhang taucht unweigerlich die Frage nach Herrschaft und der Verteilung von Macht auf: Wer profitiert von der jeweiligen gesellschaftlichen Konstellation? Für wen und mit wem und gegen welchen Widerstand können Veränderungsprozesse erreicht werden?
Wir sehen es als zentrale Aufgabe politischer Bildung an, dass Jugendliche in die Lage versetzt werden, Spannungsfelder und Interessengegensätze aufzudecken, Alternativen ausfindig zu machen und über verschiedene Lösungswege nachzudenken. Indem individuelle Problemlagen und Herausforderungen in einen gesellschaftlichen Zusammenhang gebracht und gesellschaftliche Widersprüche sowie Macht- und Herrschaftsverhältnisse einbezogen werden, können Anliegen junger Menschen in ihrer politischen Dimension erkannt und bearbeitbar gemacht werden. Es geht – dem Ansatz einer konfliktorientierten politischen Bildung folgend – um eine von der Lebenswelt ausgehende gemeinsame „Analyse aktueller politischer gesellschaftlicher und ökonomischer Konflikte, die die Bildungssubjekte betreffen, um diesen eine fundierte Urteilsbildung zu erlauben“ (Wohnig 2021, S. 16). So können statt individueller Problembearbeitung politische Forderungen diskutiert und in politische Aushandlungsprozesse eingebracht werden.
Für Menschen, die aus politisch bildnerischer Perspektive Beteiligungsprozesse begleiten und unterstützen, kommt es dementsprechend darauf an, nicht nur nach dem „Wie“ sondern auch nach dem „Warum“ und den Grenzen von Beteiligungsprozessen zu fragen. In Angeboten der politischen Bildung muss der Raum dafür geschaffen werden, sich über Ziele und Inhalte politischer Partizipation zu verständigen, die ja gerade die Motivation darstellen, sich politisch einzumischen. Hürden und fehlende Mitsprachemöglichkeiten in Beteiligungsprozessen müssen nicht allein als Scheitern interpretiert, sondern können als politische Lerngelegenheiten nutzbar gemacht werden, wenn sie mit gesellschaftlichen Strukturfragen wie z. B. Adultismus oder sozioökonomischen Ungleichheiten in Verbindung gebracht werden.
Wir sehen es als zentrale Aufgabe politischer Bildung an, dass Jugendliche in die Lage versetzt werden, Spannungsfelder und Interessengegensätze aufzudecken, Alternativen ausfindig zu machen und über verschiedene Lösungswege nachzudenken.
Auftretende Konflikte sollten entsprechend nicht als Störung des Beteiligungsprozesses zurückgewiesen, sondern vielmehr als Bildungsgelegenheit aufgegriffen werden, um Aneignungsprozesse zu ermöglichen. Es geht dabei immer darum, den Teilnehmenden Wissen zu ihren eigenen Fragen zur Verfügung zu stellen bzw. sich dieses Wissen gemeinsam mit ihnen zu erschließen. Den Rahmen für die gemeinsame Auseinandersetzung bilden die Grund- und Menschenrechte. Dabei ist es „für die politische Bildung keine zureichende Zielsetzung, ein Wissen über demokratische Prinzipien zu vermitteln; entscheidend ist es, dass jeweilige Adressaten dazu befähigt werden, sich diese als relevante Maßstäbe für die Bewertung gesellschaftlicher Sachverhalte anzueignen“ (Scherr 2012, S. 71). Insofern ist zu betonen, „dass politische Bildung nicht als einseitiger Vermittlungsprozess funktioniert und funktionieren kann, bei dem Wissen mittels Expert*innen an ‚Ungebildete‘ weitergegeben wird, sondern es geht in der politischen Bildung um Aneignungsprozesse politischer Selbstbildung“ (Bielenberg 2023).

Die leitende Erkenntnis ist dabei, dass Gesellschaft von Menschen gemacht und damit auch veränderbar ist. Auf der Grundlage ebensolcher politischen Analyse können politische Interessen formuliert und verfolgt werden, entsteht die Leidenschaft für politisches Handeln.
Fazit
Wenn die politische Praxis von zentraler Bedeutung für die Ausbildung von Mündigkeit und die Stärkung demokratischer Verhältnisse als Ziel politischer Bildung ist, muss es der politischen Jugendbildung folglich verstärkt darum gehen, „Jugendliche zu befähigen, sich in eigener Sache Gehör zu verschaffen, sie sowohl bei der Suche als auch der Nutzung von Partizipationsmöglichkeiten zu unterstützen und damit ‚Aktives-Politik-Lernen‘ zu bieten“ (Becker o. J., S. 6). Um zur politischen Partizipation zu befähigen und zu motivieren, reicht es nicht aus, sich auf die Vermittlung von Handlungskompetenzen und Wissen über Beteiligungsmöglichkeiten zu beschränken. Vielmehr müssen ausgehend von den Themen, Problemen und Fragen junger Menschen auch inhaltliche Aspekte aufgegriffen und bearbeitet werden. Indem die politische Bildung bei den Interessen und den Lebenswelten der jungen Menschen ansetzt und diese im gesellschaftlichen Kontext diskutiert, unterstützt sie ihre Teilnehmenden dabei, sich politisch zu positionieren, und motiviert sie dazu, Beteiligungsgelegenheiten zu ergreifen. In der politischen Bildung kommt es deshalb darauf an, Räume der gemeinsamen Reflexion zu schaffen, in denen die Teilnehmenden sich über Erfahrungen austauschen, diese analysieren und beurteilen sowie politisches Handeln initiieren können (vgl. Hedtke et al. 2022, S. 18). Auf diese Weise können Partizipationserlebnisse selbst als Ausgangspunkt für politisches Lernen nutzbar gemacht werden. Hier setzt die Akademie für Kinder- und Jugendparlamente mit ihren Angeboten an, um Jugendbeteiligung durch politische Bildung zu stärken.
Zu den Autoren

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