Außerschulische Bildung 3/2021

Politische Bildung und die Coronakrise

Die Pandemie als Problem und Thema der politischen Bildung

Zu Beginn der Corona-Pandemie wurde angesichts massiver gesundheitlicher Bedrohungen immer wieder die Frage gestellt, wessen Arbeit denn systemrelevant und damit politisch besonders prioritär sei. Ganz sicher gehören große Teile unseres Gesundheitssystems dazu und natürlich auch weitere Teile der öffentlichen Daseinsvorsorge. Bei vielen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft wurden die entsprechenden Definitionen auch durch die Stärke einschlägiger Lobbygruppen mitbestimmt, zumal der Begriff der Systemrelevanz ganz verschiedene Ebenen und Interessen anspricht. Wie steht es dabei um die politische Bildung?  von Bernd Overwien

„Demokratie und demokratisches Verhalten müssen von jeder neuen Generation neu gelernt und eingeübt werden. Junge Menschen wachsen heute in einer Zeit auf, die geprägt ist von tiefgreifenden gesellschaftlichen Entwicklungen, z. B. von Globalisierung, Klimawandel, Migration, Digitalisierung und demografischem Wandel. Diese sogenannten Megatrends und Krisenphänomene fordern die Demokratie heraus und stellen gleichzeitig das ‚gesellschaftliche Aufgabenportfolio für die heutige junge Generation‘.“ (BMFSFJ 2020, S. 9) In der Stellungnahme der Bundesregierung zum 16. Kinder- und Jugendbericht schließt sich die Bundesregierung diesen Zielen an. Daraus dürfte sich ergeben, dass politische Jugendbildung und dann auf die jeweiligen Biographien projiziert auch die Erwachsenenbildung, als systemrelevant zu betrachten sind, wenn es um den Erhalt einer demokratischen, an menschenrechtlichen Normen orientierten Gesellschaft geht.

Zunächst einmal ging die Bewältigung der Pandemie aber mit Einschränkungen der Grundrechte einher, die auf eine große Zustimmung der Bevölkerung trafen, gegen die es aber auch verschiedene Formen von Protest gab. Es ging um Maßnahmen, die die Verbreitung des Virus eindämmen sollten und über die bekanntermaßen auch breit gestritten wurde, was ja durchaus als Lebenszeichen demokratischer Gesellschaft gesehen werden kann. Aufsehen erregten Demonstrationen von „Corona-Leugnern“, die Verschwörungsmythen über geheime Mächte und deren Vorbereitung einer neuen Weltordnung verbreiteten. Vielerlei Behauptungen aus diesem Spektrum gleichen in ihrer Wissenschaftsfeindlichkeit den Verlautbarungen von Leugnern der Klimakrise. Pandemie und Klimakrise, so die sich seit Jahren verdichtenden Aussagen aus einschlägigen wissenschaftlichen Publikationen, gehen auf den unbegrenzten Raubbau natürlicher Ressourcen zurück und nicht auf geheime Mächte (vgl. ebd., S. 87 ff.).

Politische Bildung trifft die Pandemie in mehrerlei Hinsicht. In Schulen wird seit einem Jahr oft nur ein Notprogramm gefahren, wodurch davon auszugehen ist, dass politische Bildung hier noch kürzer kommt als sowieso vorgesehen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass viele Kinder und Jugendliche mit der Bearbeitung der durch die Pandemie und ihre Folgen ausgelösten Gefühle ziemlich allein dastehen. Hier können vielleicht Anleihen aus dem Umgang mit Umweltängsten helfen, einen offensiven Umgang damit zu fördern, sobald das wieder geht (vgl. Overwien 2019). In der non-formalen Bildung trifft es viele Tagungshäuser und Träger massiv, da Veranstaltungen nicht durchgeführt werden bzw. durch neue digitale Formate ersetzt werden müssen. Für Jugendliche bedeutet schon die Schulsituation den Verzicht auf Begegnungen, insbesondere mit Altersgenoss*innen, und sie haben oft enge Verhältnisse zu Hause. In der außerschulischen Bildung spielen bekanntlich Begegnung und Austausch, gefördert auch durch ein elaboriertes Repertoire an einschlägigen Methoden, eine wesentliche Rolle. Weder in der Schule, noch in der non-formalen Bildung ersetzen digitale Formate die damit verbundenen Prozesse. Hier ergeben sich außerdem gleich zwei wichtige Probleme. Zum einen müssen angemessene, möglichst lebendige Formate nicht zu ausufernder Dauer erst einmal gestaltet werden. Dann stoßen wir hier wieder einmal auf die soziale Spaltung der Gesellschaft, die auch Einfluss auf die digitale Ausstattung, Arbeitsräume usw. hat. Auch erleichtert ein gehobener Bildungshintergrund vielfach die Aneignung entsprechender Kenntnisse und Fähigkeiten, was die Spaltung eher verstärken dürfte, da andere diese Zugänge nicht haben.