Außerschulische Bildung 1/2024

Pressefreiheit, Partizipation und Protest

Die kulturellen Herausforderungen erodierender Öffentlichkeiten

In diesem Beitrag werden Ursachen diskutiert, die zu Erschütterungen der öffentlichen Kommunikation beitragen. Dabei soll aber nicht die Kritik an zweifellos vorhandenen Defiziten der Medien im Vordergrund stehen. Denn neben strukturellen Herausforderungen gibt es auch kulturelle Fehlentwicklungen, etwa Unsicherheiten in zivilgesellschaftlichen Partizipationsformen oder inzivile Übergriffe auf den Prozess der öffentlichen Verständigung. Nicht nur mediale Vermittlungsleistungen haben Verbesserungspotenzial, um freie Meinungsbildung zu stärken, sondern auch die Zivilgesellschaft muss sich selbstreflexiv ihres Einflusses auf kommunikative Verwerfungen bewusstwerden. von Anne Grüne

Ende 2023 war in mehreren Medien zu lesen, dass die Wahrnehmung von Meinungsfreiheit in Deutschland stark gelitten habe. Weniger als die Hälfte der Bevölkerung glaube demnach noch, ihre politischen Meinungen frei äußern zu können (vgl. Rech 2023). Nun neigen die zugrundeliegenden demoskopischen Umfragen dazu, eher gesellschaftliche Reaktionen auf mediale Diskurslagen abzubilden als tiefgreifende gesellschaftliche Wandlungsprozesse zu beschreiben. Doch selbst wenn es sich zuallererst um ein diffuses Gefühl der Beschränkung, also mehr um eine kulturelle Irritation denn eine tatsächliche institutionelle Erosion handelt, sollte die Frage nach möglichen Ursachen dringend geboten sein. Denn bedenkt man zugleich die rechtspopulistischen Angriffe auf die Grundlagen demokratischer Ordnungen, wie sie in ganz Europa durch rechte Parteien und Gruppierungen immer sichtbarer werden, als auch die Verschlechterung Deutschlands im Ranking der Pressefreiheit (vgl. Reporter ohne Grenzen 2023), so summieren sich ernstzunehmende Anzeichen dafür, dass es sich eben nicht bloß um eine Momentaufnahme der Diskurswahrnehmung handelt, sondern dass hier eine der zentralen Grundlagen demokratischer Gesellschaftsordnungen tatsächlich unter Druck geraten sein könnte.

Zwar sind die freie Meinungsäußerung wie auch die Informations- und Pressefreiheit im Grundgesetz verankert, ihre Implementierung muss aber immer wieder aufs Neue kontrolliert werden. Man könnte argumentieren, dass sich konsolidierte Demokratien gerade dadurch auszeichnen, dass Freiheitsrechte institutionell wie kulturell abgesichert sind. Gesellschaften unterliegen aber nicht nur in Zeiten revolutionärer Umbrüche Veränderungen, sondern der Wandel ist ein fortlaufendes Phänomen. Folglich können in Autokratien dynamische Demokratisierungspotenziale entstehen, während alte Demokratien ebenso wenig vor schleichenden regressiven Entwicklungen gefeit sind. Einen beunruhigenden Trend zeigen die Demokratieindexe der letzten Jahre, demnach demokratische Entwicklungen insgesamt durch Rückfälle in autokratische Strukturen und den Rückgang freiheitlicher Grundlagen gelitten haben (vgl. Freedom House 2023). Demokratische Lern- und Vermittlungsprozesse sind also störanfällig.

Strukturelle Herausforderungen der Medienöffentlichkeit