Außerschulische Bildung 3/2022

Alexander Akel: Strukturmerkmale extremistischer und populistischer Ideologien

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

US-Präsident Biden, der gegen die Spaltungsversuche seines Rivalen Trump die Einheit des amerikanischen Volkes beschwor, beschloss 2021 seine Antrittsrede mit einer Anrufung Gottes: „Unterstützt durch unseren Glauben, angetrieben durch unsere Überzeugung, mit Hingabe füreinander und für das Land, das wir lieben … Möge Gott Amerika segnen, und möge Gott unsere Truppen schützen.“ Seine Vizepräsidentin ergänzte, sie werde die US-Verfassung „nach besten Kräften erhalten und verteidigen gegen alle Feinde im Ausland und im Inland“. Folgt man dem Politikwissenschaftler Alexander Akel, der in seiner Dissertation Gemeinsamkeiten extremistischer und populistischer Ideologien herausarbeitet, dann hat man hier die drei entscheidenden Strukturmerkmale vorliegen, die unbedingte (extremistische) und bedingte (populistische) Demokratiefeinde vereinen: (1) das Denken in Freund-Feind-Kategorien, im Innern wie im Äußern, (2) herausragende Führer, die in der Rolle von „Heilsbringern“, z. B. mit dem Beistand einer göttlichen Autorität, agieren, und (3) die Konstruktion eines homogenen Volks als „einheitliche, identitätsstiftende Gemeinschaft“, die von allen hingebungsvoll geliebt wird (S. 18).

Das Beispiel macht die ganze Crux der „normativen Extremismusforschung“ von Uwe Backes und Eckhard Jesse deutlich, an die sich Akel explizit anschließt. In ihr wird erstens mit formalen Bestimmungen der disparaten Inhalte politischer Bewegungen ein prinzipieller Dualismus – demokratischer Verfassungsstaat/offene Gesellschaft versus antidemokratische Kräfte/Feinde der Freiheit –, statuiert und zweitens „engmaschig verbunden mit den Staats- und Verfassungsschutzbehörden“ (S. 22) eine Art Polizeiwissenschaft etabliert, die Zulassungsbedingungen zum öffentlichen Diskurs festlegt. Letzteres schließt ein, dass man bei der Grenzziehung von Extremismus und Populismus dem Votum der Sicherheitsbehörden folgt – eine autoritative Einordnung, die sich (siehe den Fall Maaßen) gleich von (partei-)politischen Kalkulationen abhängig macht. Der Formalismus der Analyse wird im vorliegenden Fall durch die Populismus-Kategorie zusätzlich problematisch, denn das breite Spektrum einschlägiger Forschung hat hierzu zahllose Bestimmungsgrößen ermittelt, die sich fast überall im Parteienstreit wiederfinden lassen. Dass sich ein wahlkämpfender Demokrat zu einer Mission berufen fühlt, sich dabei als zur Problemlösung (einzig) befähigte Führungskraft stilisiert und zahlreiche Feinde des notwendigen politischen Aufbruchs zu benennen weiß, eint im Grunde alle Politiker – von Biden bis Nawalny, von Söder bis Puigdemont.

Dieser Problemlage geht Akel, dem akademischen Brauch einer Dissertation folgend, ganz minutiös, zahllose Autoritäten des Fachs berücksichtigend, mit 20 Seiten Literaturnachweisen und 1.387 Anmerkungen nach. Auf 200 Seiten diskutieren Kapitel 2 und 3, nachdem die Einleitung die Problemstellung expliziert hat, den (allgemeinen) „theoretischen“ sowie den (besonderen) „konzeptionellen Bezugsrahmen“ und benennen gleichzeitig die zahlreichen Schwierigkeiten. Dass Akels Anknüpfung an den breit referierten Forschungsstand nicht den Boden unter den Füßen verliert, verdankt sich der Tatsache, dass letztlich doch eine inhaltliche Konzentration auf zwei Fälle aus dem rechten Lager erfolgt: auf die NPD und die AfD. In den Kapiteln 4 und 5 werden die beiden Fallbeispiele vorgestellt und unter Einsatz der genannten Strukturmerkmale verglichen.

Mit den formalen Merkmalen lassen sich Gemeinsamkeiten der Programmatik erfassen, doch ist mit der Einführung der beiden Grundkategorien bereits deren Differenz begründet: Die NPD stellt sich extremistisch „gegen alle Grundfesten des demokratischen Verfassungsstaates“, im Unterschied dazu „bekennt sich die AfD der Jahre 2013 bis 2017 umfassend zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ (S. 378), praktiziert also Populismus. Dies ist aber keine wissenschaftliche Erkenntnis, eine solche Beurteilung der AfD ist zudem bei Fachleuten – siehe die Arbeiten von Hajo Funke (z. B. „Die Höcke-AfD“, 2020) – höchst umstritten. Akel macht sich vielmehr im Sinne der Extremismusforschung abhängig vom Kenntnisstand und Erkenntnisinteresse der Sicherheitsbehörden. Dass 2018 begonnen und 2021 fortgesetzt wurde, die AfD beim Verfassungsschutz als möglichen Beobachtungs- bzw. Verdachtsfall zu führen, begrenzt eben das Haltbarkeitsdatum seiner Analyse. So ist auch sein Ergebnis vorsichtig formuliert; das Urteil der Sicherheitsbehörden wird einerseits bekräftigt, andererseits ausdifferenziert. Die NPD sei mit Recht als extremistisch einzustufen, jedoch „mit einem deutlich erkennbaren populistischen Einschlag“ (S. 420). Bei der populistischen AfD gebe es spätestens seit der Verabschiedung ihres Grundsatzprogramms 2016 neue Tendenzen, sie „gilt seither als eine rechtspopulistische Partei mit einem deutlich erkennbaren extremistischen Einschlag“ (S. 421). Konsequenzen für die politische Bildung deutet Akel auch an. Im Fall der AfD gehe mehr an argumentativer Auseinandersetzung, „die Errichtung eines cordon sanitaire um sie herum“ (S. 426), also ihre definitive Ausgrenzung, sei nicht nötig. Wie gesagt, das gilt bis zur Vorlage des nächsten Verfassungsschutzberichtes.