Außerschulische Bildung 3/2021

Antje Pabst/Christine Zeuner (Hrsg.): „Fünf Tage sind einfach viel zu wenig.“

Bildungszeit und Bildungsfreistellung in der Diskussion

Wie die Bildungsfreistellungs-Seminare ein quantitatives Randgebiet der Weiterbildung darstellen, so ist auch Fachliteratur zu diesem Thema dünn gesät. Was rechtfertigt es dennoch, da einmal genauer hinzuschauen? Für die Herausgeberinnen ist es die klare Parteinahme für selbstbestimmte Bildungsprozesse, die neben den vorherrschenden instrumentell-funktionalen Angeboten ein auch künftig relevantes Entwicklungspotenzial für Teilnehmende und Profession darstellen. Denn das berühmte Lernen „en passant“ ist eben doch nicht in allen Lebenslagen möglich, sodass die Bildungsfreistellungs-Gesetze in 14 Bundesländern weiter der Reflexion bedürfen. Dies wird hier aus unterschiedlichen Blickwinkeln – denen der Forschung, der Anbieter-Landschaft und der Teilnehmer*innen – geleistet.

Da nicht überall langfristige Evaluation und Systembeobachtung stattfinden, sind die vorliegenden Einzelstudien aus Bremen, Baden-Württemberg, Hamburg umso wichtiger. Wenn man die Analysen der Veranstalter hinzunimmt, werden hier auch recht unterschiedliche „Generationen“, Traditionen und Ausprägungen von Freistellungsregelungen – von den 1970er-Jahren bis 2015 – abgedeckt. Als Instrument der Teilhabe wird „Bildungsurlaub“ insbesondere dort kenntlich, wo die Langzeitanalyse die lebensbegleitenden Mobilisierungseffekte und die „schichtspezifische“ Nutzung (etwa durch Schichtarbeiter*innen) zu erkennen vermag. Ein Blick auf die begleitenden Diskurse (C. Pohlmann) erweist, dass diese leider ungeachtet der faktischen Gewichtsverschiebungen im Angebot, hin zur Qualifizierungsseite, weiter von den alten ideologischen Mustern der 70er- und 80er-Jahre geprägt sind. Die öffentlich geförderten Weiterbildungseinrichtungen verteidigen hier das Autonomiepostulat auch unter den neueren Rahmenbedingungen von Flexibilisierung und Arbeitsverdichtung. Ein hermeneutischer Blick auf Zeitverständnis- und -gefühl in diesem Kontext lotet die bekannte Ambivalenz zwischen „Muße“ und „intensiviertem Lernen“ im Bildungsurlaubs-Geschehen aus: Der Bruch mit dem Alltag kann sehr verschiedene Formen annehmen (S. Schmitt-Lauff u. a.). Auch Wege und Motivationen zur Teilnahme werden in einer lesenswerten habitustheoretischen Kurzstudie (T. Klüver) in ihrer großen Bandbreite angedeutet. Dem „Zeiterleben“ und beruflicher Weiterbildung sind weitere Texte gewidmet.

Wie unterschiedlich die Bildungsfreistellungsgesetze in den Bundesländern und weit auseinanderliegenden Entstehungsphasen gewirkt haben, zeigen die Texte von Rainer Christ, Klaus Paffrath und Birgit Waltereit: Es ist anscheinend nicht unmöglich, die insgesamt traurigen Quoten der Inanspruchnahme trotz „Gegenwinds“ noch zu steigern, etwa durch unterstützende Informationskampagnen und (partielle) Lohnerstattungen. Und möglicherweise liegt in der Qualifizierung für freiwilliges Engagement ein bislang zu wenig beachtetes Entwicklungspotenzial des Bildungsurlaubs.

Viele ungelöste Fragen werfen die Beiträge aus Anbieter-Perspektive auf: Wie lassen sich blended learning-Formate (denn auf Präsenz ganz verzichten will eigentlich niemand) in dieses misstrauisch-hochkontrollierte Feld einbeziehen? Was kann zu einer wenigstens teilweisen Vereinheitlichung und Vereinfachung des im bundesweiten Maßstab überaus anstrengenden Anerkennungsverfahrens und zur Überwindung manch kleinlicher bildungswidriger Auflagen getan werden? Dazu liefert N. Bilstein eine sehr verdienstvolle Übersicht – winzige Kritik: Die Infragestellung der Trägeranerkennungen in NRW durch Arbeitgeber ist doch eine recht seltene Hürde!