Außerschulische Bildung 3/2021

Cas Mudde: Rechtsaußen

Extreme und radikale Rechte in der heutigen Politik weltweit

„Die Wahl Donald Trumps illustriert gleich in mehrfacher Hinsicht, worum es in diesem Buch geht.“ (S. 13) Mit diesem Hinweis beginnt die Studie des niederländischen Politikwissenschaftlers Cas Mudde, der einen allgemeinverständlichen Überblick über die „vierte Welle“ der äußersten Rechten nach dem Zweiten Weltkrieg geben will. Die ersten beiden Wellen verortet Mudde in der unmittelbaren und mittelbaren Nachkriegszeit, die dritte – im Blick auf die deutschen Verhältnisse schief, da das Schlüsseljahr 1990 ignorierend – im Zeitraum 1980 bis 2000. Seitdem gebe es die vierte: „Die äußerste Rechte und insbesondere der radikale Rechtspopulismus erreichten den Mainstream“ und werden mittlerweile „zur Normalität“ (S. 13). Die Beispiele USA, Brasilien, aber auch die bekannten europäischen Fälle (RN, FPÖ, AfD …) oder Indien, das mit der BJP die weltweit größte rechtspopulistische Partei stellt, belegen diese Diagnose.

Doch schon mit den begrifflichen Festlegungen beginnen die theoretischen Schwierigkeiten. Unter „Rechtsaußen“ bzw. der „äußersten Rechten“ versteht der Autor diejenigen Richtungen, die sich „gegen das System“ wenden. Den Gegenpol dieses Rechtstrends identifiziert er in der „liberalen Demokratie“, die von Extremisten (d. h. Neofaschisten) prinzipiell und von Radikalen, wozu auch Populisten zählen, nur bedingt in Frage gestellt werde. „Während sich die extreme Rechte als revolutionär versteht, ist die radikale Rechte eher reformistisch.“ (S. 20) Ein Radikalismus, der „eher“ den Weg der Reformen beschreitet, statt an die Wurzel des Übels zu gehen, ist natürlich ein paradoxes Gebilde. Was aber schwerer wiegt, ist Muddes Mitteilung, dass der Liberalismus, der heute besonders in seiner Neo-Variante bekannt ist, selber rechts steht, nämlich zum „rechten Mainstream“ gehört (S. 20).

Also ist die Entgegensetzung von liberaler Demokratie und äußerster Rechte, auf der das ganze Buch basiert, gar nicht schlüssig. Dies hat ja auch andere Sozialwissenschaftler wie Colin Crouch oder Christoph Butterwegge dazu bewogen, die (neo-)liberale Marktgläubigkeit der Politik selber als Quelle antidemokratischer Tendenzen ins Visier zu nehmen. Dass in bester liberaler Tradition die Hegemonie des Marktes hochgehalten wird, habe zum Zustand einer „Postdemokratie“ (Crouch) geführt, in der demokratische Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse, der Ausbau eines sozialen Staates und öffentlicher Daseinsvorsorge als störend angesehen werden. Störend nämlich für die Durchsetzung der eigenen Nation in der globalen Standortkonkurrenz, wobei sich das liberale Plädoyer für die Freiheit des Kapitals organisch mit einem – auch zur Militanz bereiten – „Standortnationalismus“ (Butterwegge) verbindet. Aber auch im Inneren zeigt sich demzufolge das gewaltträchtige liberale Potenzial, etwa in der Glorifizierung der Konkurrenz, in der sich der Starke gegenüber dem Schwachen durchsetzen soll – laut Butterwegge eine eindeutige Gemeinsamkeit mit dem Rechtsextremismus.

Was Muddes Buch liefert, ist eine Art Institutionenkunde des Rechtstrends in internationaler Perspektive. Sie beginnt im ersten Kapitel mit einem historischen Abriss, listet im zweiten ideologische Kernelemente auf (Rassismus, Ethnopluralismus etc.), im dritten Organisationsstrukturen, im vierten das Personal in Führung wie Gefolgschaft und im fünften die Hauptformen der Mobilisierung. Die nächsten drei Kapitel gehen im politischen Kontext „westlicher“ Demokratien auf Ursachenforschung und die Reaktionen der etablierten Parteien ein. Das neunte Kapitel trägt das Gender-Thema nach, ausgehend von der Feststellung, dass „Männer in der äußersten Rechten unbestritten beherrschend“ (S. 187) sind. Das zehnte Kapitel schließt dann das Buch mit zwölf Thesen zu den neuen Entwicklungen der vierten Welle und zu Lösungsstrategien ab.