Die Auseinandersetzung mit Klassismus, also der Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sozialen Herkunft, erfährt seit einigen Jahren einen Aufschwung im deutschsprachigen Raum. Es ist insbesondere französischen Autor*innen wie Annie Ernaux („Der Platz“), Didier Eribon („Rückkehr nach Reims“) oder Édouard Louis („Das Ende von Eddy“) zu verdanken, dass die oft von Scham, Brüchen und sozialer Ungerechtigkeit gekennzeichneten Lebensumstände von Menschen aus sozial und materiell prekären Milieus nicht mehr vorrangig als persönlicher Makel besprochen werden, sondern eben auch als Ausdruck kapitalistischer Gesellschaften.
Entsprechend kommt die Veröffentlichung von „Warum Klasse zählt“ im Gedenken des Klassentheoretikers Erik Olin Wright, der im Januar 2019 an Krebs verstarb, zur rechten Zeit und mit einer eindringlichen wie aktuellen Botschaft: Klasse zählt! Dies sollte als Impuls verstanden werden, der auch auf die politische Bildung abzielt.
Vorrangig tritt Wright, der sich der marxistischen Tradition zuordnet, darin als ein Mediator auf, der einen Vermittlungsversuch zwischen drei, häufig als unvereinbar betrachteten, Schulen der Klassentheorie unternimmt. Um zu verstehen, was Klassen kennzeichnet, wie sie gebildet und erhalten werden, bietet der Autor ein integriertes Analysemodell an. Er legt quasi mehrere analytische Schablonen übereinander, um die Auswirkungen von Klassenverhältnissen auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen sichtbar, verstehbar und veränderbar zu machen.
Dabei bringt Wright soziologische Ansätze, die ausschließlich auf die individuellen Eigenschaften und Lebensumstände von Menschen, wie bspw. Bildungsgrad und Einkommen schauen, mit dem Weberschen Konzept der Chancenhortung und der marxistischen Analyse von Herrschaft und Ausbeutung zusammen. Es benötige diese Synthese, argumentiert Wright, da „weder die ökonomischen Bedingungen, unter den die Menschen leben, noch ihre Aktivitäten“ (S. 25) außerhalb des sie prägenden gesellschaftlichen Kontextes verstehbar gemacht werden könnten. Erst eine ganzheitliche Betrachtungsweise, so seine These, setze die soziale Stellung Einzelner in Beziehung zu gesellschaftlichen Prozessen des Ein- und Ausschlusses (Chancenhortung) und der (Aus-)Nutzung materieller Ungleichheiten (Herrschaft/Ausbeutung).
Allerdings ist es Wright nicht nur daran gelegen, zum besseren Verständnis kapitalistischer Gesellschaften beizutragen. Als Marxist sieht er den eigentlichen Zweck seiner Arbeit in deren grundlegender Veränderung. Angesichts von Ausbeutung und sozialer Spaltung bezeichnet der Autor es als seine normative und soziologische Pflicht „die Überwindung des Kapitalismus hin zu einer Alternative zu verstehen.“ (S. 66)