Außerschulische Bildung 3/2022

Eva Gruberová/Helmut Zeller: Diagnose: Judenhass

Die Wiederkehr einer deutschen Krankheit

Auch die Schreckenserfahrung des Holocaust und die Entnazifizierung nach dem Ende der Naziherrschaft haben den Antisemitismus in Deutschland nie wirklich verschwinden lassen. Verschweigen, Verheimlichen und Verdrängen blieb vielfach die Devise. Und leider ist der Antisemitismus in den letzten Jahren wieder deutlich sichtbarer und deutlich gefährlicher geworden. Das verlangt nach vermehrter politischer Wachsamkeit und nach einem Nachdenken über neue pädagogische und politische Strategien, wie man dem Übel beikommt.

In ihrem Buch „Diagnose: Judenhass“ sezieren die beiden Fachpublizisten Eva Gruberová und Helmut Zeller das komplexe Erscheinungsbild des heutigen Antisemitismus in gründlicher und sehr umfassender Weise. Es handelt sich allerdings nicht um eine wissenschaftliche Studie, sondern vielmehr um ein Panorama von Reportagen, die tief in die dunklen Zonen und Tiefenschichten der deutschen Gesellschaft und der deutschen Politik führen.

Mit dieser Erwartungshaltung sollte man an das sehr emotional aufrüttelnde Buch herangehen. Systematische Aufarbeitungen von Statistiken und Zahlen werden kaum vorgenommen oder werden manchmal recht subjektiv präsentiert. Aber darum geht es auch nicht. Vielmehr sollen die verschiedenen Erscheinungsformen und Verkleidungen antisemitischer Haltungen plastisch veranschaulicht werden. Durch Interviews, Tatortbesichtigungen, geschichtliche Rückblenden und auch Schilderungen von positiven Initiativen gegen Antisemitismus entsteht so etwas wie ein Sittengemälde, in dem jeder erkennen kann, welche besorgniserregenden Tendenzen in der deutschen Gesellschaft – oft verborgen – schlummern.

Verborgen: Ja, Antisemitismus tritt oft mehr oder minder krude verschleiert auf. Rechts im politischen Spektrum, wenn etwa aus AfD-Kreisen eine Geschichtspolitik der „Grautöne“ (S. 37) gepriesen wird, die nationalsozialistischen Verbrechen durch die Aufzählung (kaum vergleichbarer) politischer Verbrechen relativiert. Und eher links verortet: Die pro-palästinensische Organisation BDS, die sich in Sachen Existenzrecht Israels hinter Formulierungen verstecke, die „absichtlich vage“ seien (S. 163). Das, zusammen mit den Verdrängungsmechanismen, die die deutsche, keinesfalls mehrheitlich antisemitische, aber oft gleichgültige Gesellschaft bestimmen, macht die Analyse des Problems schwieriger.