Außerschulische Bildung 4/2020

Everhard Holtmann (Hrsg.): Umdeutung der Demokratie

Politische Partizipation in Ost- und Westdeutschland

Die Demokratie ist elementar auf die Unterstützung durch Bürger*innen angewiesen. Die Zufriedenheit damit, wie die Demokratie funktioniert, und die Einstellung zur Demokratie als System sind wichtige Gradmesser für Anerkennung und Legitimation demokratischer politischer Systeme. Nach den Landtagswahlen zwischen 2015 und 2017 sowie der Bundestagswahl 2017 hat der Arbeitsstab für die neuen Bundesländer im Bundeswirtschaftsministerium eine Gruppe um den Hallenser Politikwissenschaftler Everhard Holtmann beauftragt, in einer Studie Formen politischer Partizipation in Ost- und Westdeutschland zu untersuchen.

Die Studie wurde zwischen 2017 und 2019 durchgeführt. Leitende Fragestellung war, ob das unterschiedliche Wahlverhalten in Ost und West verschiedenen Motivlagen entspricht und ob sich jenseits der Wahlergebnisse im Bereich der politischen Partizipation in Ostdeutschland Einstellungen und Verhaltensmuster identifizieren lassen, die sich von denjenigen in Westdeutschland unterscheiden.

In sieben unterschiedlich umfangreichen Kapiteln werden Indikatoren der Untersuchung begründet, politikwissenschaftliche Bezugsmodelle sowie Ergebnisse präsentiert und erläutert. Äußerst hilfreich für die Arbeit mit der Studie ist, dass nach jedem Kapitel jeweils ein Zwischenergebnis formuliert wird, das die Essentials aus Sicht der Autor*innen festhält.

Die Analyse von Kommentaren in Zeitungen zu Wahlergebnissen in Ostdeutschland, zeigt, dass das Wahlverhalten mit den Motiven der Unzufriedenheit, fehlender Bürgernähe und dem Gefühl, auf politischer Ebene nicht hinreichend repräsentiert zu sein, erklärt wird. Im Längsschnitt sehen die Autor*innen der Studie durchaus konvergente Tendenzen der politischen Partizipation in Ost und West. Für den Osten wird allerdings ein größeres Responsivitätsdefizit (Offenheit der Politik für Interessen, Wahrnehmung und Anerkennung von Anregungen) und ein geringeres Vertrauen in Regierung, Parteien und Politik festgestellt. In Ostdeutschland äußern sich im Jahr 2018 mit 20,3 % nur etwa halb so viele Menschen wie im Westen mit 38,5 % (S. 126) als zufrieden mit der Demokratie, wie sie bei uns funktioniert. Allerdings wird die Demokratie als Idee von 90 % im Westen und von 85 % im Osten befürwortet.