Außerschulische Bildung 3/2021

Gert Krell: Klimadiskurs kontrovers

Zwischen Alarmstimmung und Verharmlosung

In der Reihe „Politisches Fachbuch“ des Wochenschau Verlags ist die Publikation „Klimadiskurs kontrovers. Zwischen Alarmstimmung und Verharmlosung“ von Gert Krell, emeritierter Frankfurter Professor für Internationale Beziehungen, erschienen. Schon im Titel deutet der Autor das Spektrum des Klimadiskurses an, das für ihn von „Leugnung über Verharmlosung, Mischungen aus Pessimismus und verhaltenem Optimismus bis zu Alarmstimmung über die ‚Klimakrise‘“ (S. 13) reicht. Ausgehend von dieser ersten Einordnung will er zeigen, „dass die Kritik an vermeintlichen Übertreibungen der Klimaforschung (…) oder den Wohlstand attackierenden Verzichtsaufforderungen von Klimaschützern (…) in Scheindebatten führt“ (S. 14). Diese lenken für ihn von den echten Problemen, den verschärften Wetterextremen wie die für sich genommen noch nicht katastrophalen, aber kumulierenden schleichenden Veränderungen des Weltklimas ab. Mit seiner Veröffentlichung will Krell vor allem eine Orientierung im Streit um den naturwissenschaftlichen Sachstand und die politischen und praktischen Perspektiven bieten.

Seine inhaltlichen Ausführungen beginnen mit einer Darstellung der „auch von Experten nicht mehr zu überblickenden Breite“ (S. 17) des Klimadiskurses. Als Kriterien zur Differenzierung respektive Strukturierung der wissenschaftlichen und auch der politischen Debatte(n) führt Krell die Unterscheidungen zwischen den Teilgebieten Klimawandel und Klimaschutz bzw. Klimapolitik, zwischen Optimismus und Pessimismus sowie zwischen seriösen und unseriösen Positionen und Argumentationen ein. Im Rahmen dieses Koordinatensystems analysiert er im ersten Teil des Buches ausführlich verschiedene Argumente, Deutungen und datenbasierte Interpretationen des Meinungsspektrums. Daran anschließend stellt der Autor beispielhaft unterschiedliche Leitperspektiven zum Thema vor, die er verschiedenen politischen Denkweisen zuordnet.

Im Folgenden skizziert er in kurzen Abschnitten vier idealtypische Grundorientierungen: eine eher neutrale historische Perspektive, eine linke ökologische Kritik an der industriellen Moderne, einen marktliberalen Blickwinkel und eine grüne Perspektive. Diese Kategorisierungen stellen für ihn eine weitere Möglichkeit für eine Strukturierung der Klimadebatte dar. Abschließend gibt er eine Gesamteinschätzung zur Rolle Deutschlands beim Klimaschutz und den klimapolitisch erforderlichen Maßnahmen – auch vor dem Hintergrund der Corona-Krise. Mit Blick auf die Elektromobilität, die Agrarpolitik, den Kohleausstieg und die Energiewende lautet sein schlichtes Fazit: „die Richtung stimmt, das Tempo nicht“ (S. 97). Die Frage, ob der Umgang mit Corona sich auf das politische Klima gegenüber dem Klimawandel auswirkt oder gar, wie es der Sozialpsychologe Harald Welzer recht optimistisch formuliert, „eine Lerngeschichte des zivilisatorischen Fortschritts“ (S. 106) darstellt, ist für Krell zurzeit nicht zu beantworten. In einer eher von Skepsis geprägten Grundhaltung bemüht er einen Vergleich mit der Finanzkrise: „Als es nach der Finanzkrise 2008 darum ging, die Volkswirtschaften wieder in Gang zu bringen, wurde wenig Rücksicht auf das Klima genommen; die Einspareffekte bei den Treibhausgasen waren schnell verpufft.“ (S. 107) Ähnliches deutet sich für ihn aktuell in der Bewältigung der coronabedingten Rezession an. Gerade vor diesem Hintergrund bleibt für Krell Klimaschutz „die zentrale politische Herausforderung der 2020er-Jahre“ (S. 113).

Als Resümee bleibt festzuhalten, dass es dem Autor durchaus, insbesondere dank der Einführung seiner hilfreichen idealtypischen Systematisierung, gelingt, die kontroversen und teilweise sehr emotional geprägten Debatten um Klimawandel und Klimaschutz auch für Laien strukturiert darzustellen. An einigen Stellen wäre aus Sicht des Rezensenten aber weniger mehr gewesen. So ist das wiederholte Referieren von Umfragen, Statistiken und Sachstandsanalysen in manchen Kapiteln für den Lesefluss etwas ermüdend. Trotz dieser Einschränkung eignet sich das Buch als Einstieg zu einem beherrschenden politischen Thema, das auch weiterhin ein strittiges bleiben wird.