Außerschulische Bildung 1/2020

Günter Blamberger/Axel Freimuth/Peter Strohschneider (Hrsg.): Vom Umgang mit Fakten

Antworten aus Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften

Als ältestes Anliegen der antiken Philosophie ist die Frage nach der „Wahrheit“ gerade in Zeiten von digitaler Informationsinflation hochaktuell. Digitale Medien fungieren dabei als Sammelsurium für Daten und Informationen, aber auch Meinungen, weshalb eine fundierte Informiertheit immer die Fähigkeit zur Unterscheidung von opportunen Meinungen und begründeten Tatsachen voraussetzt. Doch angesichts der Existenz von Falschmeldungen ist das sich Zurechtfinden in der Gesellschaft mit erheblichen Schwierigkeiten für den Menschen verbunden. Spätestens mit der Debatte um Fake News, wird verstärkt Misstrauen besonders gegenüber Medien und auch Wissenschaften ausgesprochen. Wie kann aber gesellschaftliches Zusammenleben realisiert werden, wenn alles – sogar Wissenschaften und ihre Erkenntnisse – infrage gestellt wird, was das Fundament für eben diese Idee des gesellschaftlichen Zusammenlebens bildet?

Um das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Wissenschaft geht es in diesem Sammelband, der den Gegenstand der Faktizität und ihrer Bedeutung im Zusammenspiel mit Mensch, Wissenschaft und Politik aus verschiedenen Disziplinen, wie z. B. aus der Politikwissenschaft, Soziologie, aber auch der Medienwissenschaft, Klimaforschung und Mathematik beleuchtet. Ohne eine ausschweifende Diskussion über normative Wahrheitsregelungen zu führen, soll vielmehr das Potenzial der Wissenschaft und der Wissenschaftler*innen als „demokratische Citoyen“ (S. 31) dargestellt werden, die für Entscheidungen innerhalb von agonistisch geführten Gesellschaftsdiskursen als eine Orientierungshilfe fungieren sollen. Um der wissenschaftsnegierenden Haltung entgegenzuwirken, die meist von Populist*innen eingenommen wird, plädieren u. a. Freimuth und Ziegler in ihrem jeweiligen Beitrag für eine stärkere Sichtbarkeit der Wissenschaft, für die sie selbst verantwortlich ist. Es gilt dabei vorrangig, wissenschaftliche Erkenntnisse für die Gesellschaft kommunizierbar zu machen, d. h. Sprachbarrieren abzubauen, Grenzen der wissenschaftlichen Methodik und Ergebnisse zu vermitteln und somit für temporär gültiges Wissen zu sensibilisieren. Dafür ist es ebenfalls wichtig, Wissenschaft und Forschung mithilfe von Forschungsgeldern staatlich zu unterstützen und diese Investitionen auch für Bürger*innen mithilfe von „Kosten-Nutzen-Abwägungen“ (S. 52) zu legitimieren. Die Essenz daraus lautet: Die Wissenschaft kann und darf sich nicht von der Gesellschaft und Politik distanzieren. Sie sollte allerdings auch nicht die Rolle der Entscheidungsträgerin in politischen Prozessen einnehmen, denn die Überzeugung von einer Alternativlosigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse wirkt ebenso antipluralistisch auf gesellschaftliche Verhältnisse ein, wie es für antidemokratische Bestrebungen charakteristisch ist.

Der Sammelband liefert eine adäquate Überblicksdarstellung verschiedener Perspektiven bezüglich der Herausforderung der Wissenschaft, der Rolle als Wissensvermittlerin gerecht zu werden, und Vertrauen durch Transparenz und realistischer Selbsteinschätzung zur Gesellschaft aufzubauen. Die Bedeutung von empirisch basierten Fakten wird hinsichtlich sozialer Medien deutlich: Falschmeldungen haben mehr denn je Konjunktur. Heutige Informations- und Kommunikationstechnologien begünstigen die rasante Verbreitung von Nachrichten, deren Qualitäts- bzw. „Wahrheitsgehalt“ zunächst zweitrangig ist, wie es bspw. Äußerungen von Klimagegner*innen und Kreationist*innen belegen. Daran muss die politische Bildung anknüpfen. Sie muss die politische Kategorie der Medienbildung erkennen und aufgreifen, indem sie den Bedeutungswandel von Wissen als Dogma zu Wissen als Konstrukt in der Praxis diskutiert. Auf dieser Grundlage ist es notwendig, Medieninhalte – sei es von einzelnen Personen oder von Kollektiven, wie die Wissenschaft oder Politik – kritisch zu reflektieren und sich selbst als Einflussfaktor durch die eigene Mediengestaltung wahrzunehmen. Das ist keine leichte Aufgabe: Der kategorische Imperativ des 21. Jahrhunderts, wie ihn Pörksen in seinem Beitrag formuliert, „(g)ebe deinem Publikum (…) jede nur denkbare Möglichkeit, die Qualität der von dir vermittelten Information einzuschätzen!“ (S. 18) erweitert die aufklärerischen Ideale vereinfacht gesagt um den Aspekt der Medienkompetenz nach Baacke. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um die Zustimmung einer kompetenztheoretischen Sichtweise, sondern um die Veranschaulichung der Relevanz einer stärkeren Auseinandersetzung mit „Fake News“ und ihrem politischen Gehalt in Bildungskontexten. Das Buch thematisiert den Stellenwert von Wissen und Fakten in der heutigen Zeit und gibt mithilfe der Darstellung von ausgewählten Fallstudien aus der Forschung Impulse in die aktuelle Diskussion. Auf diese Weise soll der Gefährdung der Demokratie durch Desinformationen, auf die nun auch die politische Bildung stärker reagieren muss, entgegengewirkt werden.